Piper und das Rätsel der letzten Uhr
kenne ihn, folglich musst du ihn mir gesagt haben. Es ist ja sonst niemand hier.« Belstone grinste breit. »Gibt es eine andere Möglichkeit?«
Er grinste noch breiter. Vermutlich gefiel es ihm sehr, so geheimnisvoll daherzukommen.
Piper gab es auf. »Warum muss ich allein gehen?«, fragte sie stattdessen.
»Wenn du nicht alleine zurückfindest, dann wirst du niemals zurückfinden.«
Das klang nicht gerade ermutigend.
»Ich kann dir aber trotzdem helfen«, fuhr er fort. »Deswegen bin ich ja hier.« Er zwinkerte ihr zu.
»Was muss ich tun?«
»Das kann ich dir nicht sagen.«
Jetzt warf Piper ihm einen entnervten Blick zu, der mehr als tausend Worte sagte.
»Ich kann es dir nicht sagen, weil ich es nicht weiß.«
»Aber?«, fragte sie, denn das, was der Fuchs sagte, hörte sich an wie der erste Teil eines typischen Aber-Satzes.
Belstone wusste das natürlich (weil er ein Fuchs war): »Ich werde dir sagen, was du sein musst.«
»Okay.«
»Du musst schlau sein.«
»Das ist alles?«
»Das«, betonte der Fuchs, »ist sehr, sehr viel. Du musst nachdenken und die Dinge so sehen, wie sie wirklich sind. Halt einfach die Augen offen, dann wirst du schon sehen, was ich meine.«
Na klasse!
»Niemand sonst kann dir dabei helfen.«
»Hm.«
Piper hatte keine Ahnung, wovon er sprach.
»Ich bin genauso schlau wie du«, sagte sie trotzig und ein wenig frech.
Der Fuchs nahm das zur Kenntnis. »Er wird dir die Wahl lassen.«
»Wer ist Er?«
»Das weißt du noch nicht? Er ist der Rastlose.«
»Der Rastlose?«, wiederholte Piper.
»Du plapperst mir nach.«
»Und wer ist der Rastlose?«
»Er wird dir zeigen, welchen Weg du gehen kannst, um nach Hause zu kommen.«
Schon wieder so ein Satz. »Aber?«
»Du musst vorsichtig sein. Er ist hinterlistig.«
»Dachte ich mir.«
Belstone erhob sich und kam auf sie zu. »Noch was«, begann er.
»Ja?«
»Danke, dass du mir mit dem Ast keins übergebraten hast.«
»Oh, bitte.« Piper hatte eigentlich nie vorgehabt, ihn zu verletzen.
Belstone lächelte und sagte: »Ich wünsch dir Glück.« Dann lief er zurück in den Wald.
Piper ging ihm mit schnellen Schritten nach. »Warte.« Kaum zu glauben, wie schnell so ein Fuchs sein konnte.
Er blieb stehen.
»Heißt das, du lässt mich jetzt allein?«
»Das heißt es wohl«, antwortete der Fuchs.
Piper wusste nicht recht, was sie jetzt sagen sollte.
»Wir werden uns bestimmt wiedersehen«, versprach ihr der Fuchs zum Abschied. Er sah sie noch mal kurz an, direkt in die Augen, funkelnd und tief, und dann war er auch schon verschwunden.
Piper seufzte.
Das Seufzen vertrieb zumindest die Stille.
Meine Güte, hier war alles wirklich sehr, sehr seltsam. Sie starrte in die Landschaft hinein. Die Landschaft starrte zurück. Alles sah echt aus, die Bäume und Sträucher und das Laub auf dem Boden. Aber irgendwie sah es auch neu aus. Es kam Piper so vor wie etwas, das man neu bekommen hatte. Genauso wie ein Kleidungsstück, das man anzieht und das sich neu anfühlt. Es kann getragen aussehen, aber es fühlt sich neu an.
Genau so war es jetzt auch.
»Du denkst dummes Zeug«, sagte sie zu sich selbst. Sie sagte das mit Absicht laut, denn es tut gut, etwas laut ausgesprochen zu hören, wenn man allein ist.
Piper folgte der Spur auf dem Boden. Dabei drehte sich ihr Gedankenkarussell einfach weiter. Sie fragte sich, wer ihr wohl als Nächstes begegnete. Sie fragte sich, ob sie den Schrankkoffer finden würde. Und sie fragte sich, wer dieser Rastlose wohl war, von dem der Fuchs gesprochen hatte. Piper fragte sich so viele Fragen, dass sie irgendwann vor Anstrengung stehen bleiben musste, um Atem zu schöpfen.
Mittlerweile war sie auf einer Anhöhe angekommen. Von dort aus sah sie in ein kleines Tal hinab. Da gab es Häuser, Felder, verwitterte Zäune, die in sanften Linien über die Hügel liefen und grün und nass vom Regen waren. Hatte es dort unten geregnet? Sie erkannte einen weiteren Bach, an dem Schafe standen, und irgendwo am Horizont glitzerte etwas Hellblaues in der Sonne. Vielleicht ein See. Oder das Meer?
Piper kickte einen Stein durch die Gegend. Irgendwo fiel er hin, das Geräusch dazu war ganz leise. Sie zog die Stirn kraus, denn sie hatte so ein Gefühl. Ein höchst eigenartiges Gefühl. Ein eisig kalter Hauch streifte ihren Nacken und ließ sie frösteln.
Dann vernahm sie die Stimme.
»Du«, sagte die Stimme, »hast mich gefunden.«
Die Stimme war dicht hinter ihr. »Schließ die Augen. Schnell, schnell,
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