Pippi Langstrumpf
sie.
Da die Tür jetzt geschlossen war, legte sie ihren Zeigefinger auf die Klingel und drückte fest und lange. Thomas und Annika hörten, wie schrill es drinnen in der Apotheke klingelte. Nach einer Weile wurde eine kleine Luke in der Tür geöffnet, das war die Luke, wo man seine Medizin kaufen konnte, wenn man in der Nacht krank wurde. Der Apotheker steckte den Kopf heraus. Er war ganz rot im Gesicht.
„Was willst du denn jetzt noch?“ sagte er böse zu Pippi.
„Ja, entschuldigen Sie, lieber Aputheker, aber mir ist etwas eingefallen. Herr Aputheker, Sie wissen ja so gut Bescheid mit Krankheiten – was ist eigentlich am besten gegen Bauchschmerzen: eine warme Blutwurst essen oder den ganzen Bauch in kaltes Wasser legen?“
Das Gesicht des Apothekers wurde noch mehr rot.
„Mach, daß du fortkommst“, schrie er, „und das sofort, sonst
…“ Er schlug die Luke zu.
„Junge, was war der wütend“, sagte Pippi. „Man könnte ja beinahe glauben, ich hätte ihm was getan!“
Sie läutete noch einmal, und es dauerte nur ein paar Sekunden, bis der Apotheker wieder an der Luke erschien. Er war ganz furchtbar rot im Gesicht.
„Warme Blutwurst ist doch vielleicht etwas schwer verdaulich“, meinte Pippi und blickte ihn mit freundlichen Augen an. Der Apotheker antwortete nicht, sondern schlug die Luke mit einem Knall zu.
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„Na schön“, sagte Pippi und zuckte die Achseln, „dann versuche ich es eben mit Blutwurst. Wenn es schiefgeht, hat er es sich selbst zuzuschreiben.“
Sie setzte sich in aller Ruhe auf die Treppe vor der Apotheke und reihte alle ihre Flaschen auf.
„Wie unpraktisch doch erwachsene Leute sein können“, sagte sie. „Hier habe ich jetzt – laßt mal sehen – acht Flaschen, und alles zusammen könnte sehr gut in eine hineingehen. Aber es ist ja ein Glück, daß man selbst ein bißchen gesunden Menschenverstand hat.“
Mit diesen Worten zog sie alle Korken aus den Flaschen und goß alle Medikamente in eine einzige Flasche. Sie schüttelte sie tüchtig. Danach setzte sie die Flasche an den Mund und trank in tiefen Zügen. Annika, die wußte, daß ein Teil der Medikamente nur äußerlich angewandt werden sollte, wurde etwas unruhig.
„Aber Pippi, woher weißt du, daß diese Medizin nicht giftig ist?“
„Das merke ich“, sagte Pippi. „Spätestens morgen merke ich es. Wenn ich dann noch lebe, ist sie nicht giftig, und dann kann das kleinste Kind sie trinken.“
Thomas und Annika überlegten eine Weile. Dann sagte Thomas zweifelnd und etwas mutlos:
„Ja, wenn sie aber giftig ist, was wird denn dann?“
„Dann nehmt ihr das, was in der Flasche noch übrig ist, und poliert damit die Eßzimmermöbel“, sagte Pippi. „Ob giftig oder nicht, jedenfalls ist die Medizin dann nicht umsonst gekauft worden.“
Sie nahm die Flasche und stellte sie in die Schubkarre. Da lagen schon der Holzarm, Thomas’ Dampfmaschine, sein Luftgewehr und Annikas Puppe und eine Tüte mit fünf kleinen roten Bonbons. Das war alles, was noch übrig war. Herr Nilsson saß auch da. Er war müde und wollte nach Hause fahren.
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„Übrigens will ich euch sagen, ich glaube, daß es eine sehr gute Medusin ist“, sagte Pippi. „Ich fühle mich schon viel gesünder. Besonders munter und gesund fühle ich mich im Schwanz.“ Und sie wackelte mit ihrem kleinen Hinterteil hin und her.
Dann zog sie mit ihrer Schubkarre los und wackelte nach Hause zur Villa Kunterbunt. Thomas und Annika gingen nebenher und merkten, daß ihnen der Bauch weh tat.
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Pippi schreibt einen Brief und geht in die
Schule – aber nur ein bißchen
„Heute haben Annika und ich einen Brief an unsere Großmutter geschrieben“, sagte Thomas.
„So, so“, sagte Pippi und fuhr fort, mit dem Griff ihres Regenschirmes in der Kasserolle zu rühren. „Ich kriege ein herrliches Mittagessen“, sagte sie und beugte sich mit der Nase hinunter, um zu riechen. „Soll eine Stunde unter kräftigem Rühren kochen und sofort ohne Ingwer gegessen werden, steht im Kochbuch. Was hast du gesagt? Du hast an deine Großmutter geschrieben?“
„Ja“, sagte Thomas, der auf Pippis Holzkasten saß und mit den Beinen baumelte. „Und wir kriegen sicher bald Antwort von ihr.“
„Ich bekomme niemals einen Brief“, sagte Pippi verdrießlich.
„Ja, aber du schreibst auch nicht“, sagte Annika. „Man kann keine Briefe bekommen, wenn man nicht selbst welche schreibt.“
„Und das kommt nur daher, daß du nicht in die Schule gehen
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