Pippi Langstrumpf
las.
„Meine liebe Pippilotta“, las er. „Wenn du diesen Brief bekommst, kannst du jeden Augenblick zum Hafen runter gehen und nach der Hoppetosse ausspähen. Denn ich habe die Absicht, zu dir zu kommen und dich für eine Weile nach der Taka-Tuka-Insel zu holen. Du sollst doch wenigstens das Land kennenlernen, wo dein Vater ein so mächtiger König geworden ist. Hier ist es richtig gemütlich, und ich glaube, daß es dir gefallen wird. Meine treuen Untertanen sehnen sich auch sehr danach, die Prinzessin Pippilotta kennenzulernen, von der man schon so viel gehört hat. So ist darüber weiter nichts zu sagen.
Du kommst – das ist mein königlicher und väterlicher Wille.
Einen richtigen Knallkuß und viele herzliche Grüße sendet dir dein alter Vater
König Efraim I. Langstrumpf,
Alleinherrscher über Taka-Tuka-Land.“
Als Thomas aufgehört hatte zu lesen, war es ganz still im Zimmer.
232
Pippi geht an Bord
Und eines schönen Morgens im März lief die Hoppetosse in den Hafen ein, geschmückt mit Flaggen und Wimpeln vom Vorder- bis zum Achterschiff. Die Musikkapelle der kleinen Stadt hatte sich am Kai aufgestellt und blies mit voller Kraft eine schöne Willkommensmelodie. Und so viele Menschen, wie es in der Stadt gab, hatten sich angesammelt, um zu sehen, wie Pippi ihren Vater, König Efraim I. Langstrumpf, in Empfang nahm. Ein Photograph stand auch bereit, um für die Zeitung ein Bild von ihrem ersten Zusammentreffen aufzunehmen.
Pippi war so ungeduldig, daß sie hohe Sprünge machte, und der Laufsteg war kaum ausgelegt worden, als Kapitän Langstrumpf und Pippi unter lautem Jubelgeschrei einander entgegenstürzten. Kapitän Langstrumpf freute sich so, seine Tochter zu sehen, daß er sie mehrere Male hoch in die Luft warf. Und Pippi war ebenso herzensfroh, daß sie ihren Vater noch viele Male mehr in die Luft warf. Der einzige, der sich nicht freute, war der Photograph, denn er konnte ja unmöglich ein richtiges Bild machen, wenn die ganze Zeit über entweder Pippi oder ihr Vater sich hoch oben in der Luft befand.
Thomas und Annika kamen jetzt auch und begrüßten Kapitän Langstrumpf, aber ach, wie blaß und elend sahen sie aus! Sie waren ja zum ersten Mal seit ihrer Krankheit draußen.
Pippi mußte natürlich an Bord gehen, um Fridolf und alle ihre anderen Freunde unter den Matrosen zu begrüßen. Thomas und Annika durften mitgehen. Es war sehr merkwürdig, auf einem Schiff herumzusteigen, das von so weit her kam, und Thomas und Annika sperrten die Augen ordentlich auf, um 233
alles richtig sehen zu können. Besonders eifrig schauten sie nach Agaton und Theodor aus, aber Pippi sagte, daß sie schon vor langer Zeit abgemustert hätten.
Pippi umarmte alle Matrosen so kräftig, daß sie die nächsten fünf Minuten kaum atmen konnten. Und dann hob sie Kapitän Langstrumpf auf ihre Schultern und trug ihn durch die ganze Volksmenge bis nach Hause zur Villa Kunterbunt. Thomas und Annika trabten Hand in Hand hinterher.
„König Efraim soll leben!“ schrien alle Leute, die fanden, dies sei ein großer Tag in der Geschichte der Stadt.
Einige Stunden später lag Kapitän Langstrumpf in der Villa Kunterbunt im Bett und schlief und schnarchte, daß das ganze Haus zitterte. Draußen in der Küche saßen Pippi und Thomas und Annika am Tisch, auf dem noch die Reste eines herrlichen Abendessens standen. Thomas und Annika waren sehr still und nachdenklich. An was dachten sie? Ja, Annika dachte beinah, ob es nicht, wenn man es sich recht überlegte, besser wäre, tot zu sein. Und Thomas saß nur da und versuchte herauszufinden, ob es überhaupt irgend etwas hier in der Welt gäbe, was so richtig lustig sei, aber er konnte nichts finden. Das Leben war, so schien es ihm, im großen und ganzen eine Wüste.
Aber Pippi war in strahlender Laune. Sie streichelte Herrn Nilsson, der vorsichtig zwischen den Tellern auf dem Tisch hin und her stieg, sie streichelte Thomas und Annika, sie pfiff und sang abwechselnd, sie machte hin und wieder kleine vergnügte Tanzschritte und schien gar nicht zu merken, daß Thomas und Annika so niedergeschlagen waren.
„Das wird herrlich werden, wieder einmal auf See zu sein“, sagte sie. „Denkt euch bloß, auf dem Meer, wo die Freiheit ist!“
Thomas und Annika seufzten.
„Und ich bin wirklich gespannt darauf, die Taka-Tuka-Insel kennenzulernen. Ausgestreckt am Strand zu liegen und die großen Zehen in die richtige Südsee zu tauchen und nur den 234
Mund aufsperren zu
Weitere Kostenlose Bücher