Pippi Langstrumpf
zu weit“, sagte Pippi. „Eben erst hast du gesagt, 7 und 5 ist 12. Ordnung muß sein, selbst in einer Schule. Übrigens, wenn du so eine kindische Freude an solchen Dummheiten hast, warum setzt du dich nicht allein in eine Ecke und rechnest und läßt uns in Ruhe, damit wir Haschen spielen können? – Aber nein, jetzt sage ich ja wieder ,du‘!“ schrie sie entsetzt. „Kannst du mir nur noch dieses letzte Mal verzeihen? Dann will ich versuchen, in Zukunft besser daran zu denken.“
Die Lehrerin sagte, sie wolle das tun. Aber sie glaubte nicht, daß es Zweck hätte, Pippi etwas mehr Rechnen beizubringen. Sie fing statt dessen an, die anderen Kinder zu fragen.
„Kannst du mir die Frage beantworten, Thomas: Wenn Lisa 7 Äpfel hat und Anton hat 9, wieviel Äpfel haben sie zusammen?“
„Ja, sag es, Thomas“, fiel Pippi ein. „Und dann kannst du mir gleich auch noch sagen, warum Lisa Bauchschmerzen kriegt und Anton noch mehr Bauchschmerzen und wessen Schuld das ist und wo sie die Äpfel geklaut haben.“
Die Lehrerin versuchte, so auszusehen, als ob sie nichts gehört hätte, und wandte sich an Annika.
„Jetzt bekommst du eine Aufgabe, Annika: Gustav war mit seinen Kameraden auf einem Schulausflug. Er hatte eineKrone, als er abfuhr, und 7 Öre, als er zurückkam. Wieviel hatte er verbraucht?“
„Ja, gewiß“, sagte Pippi, „und dann möchte ich wissen, warum er so verschwenderisch war und ob er Limonade gekauft hat und ob er sich die Ohren richtig gewaschen hatte, bevor er von zu Hause wegging.“
Die Lehrerin beschloß, das Rechnen jetzt aufzugeben. Sie meinte, daß es Pippi vielleicht mehr Spaß machen würde, lesen zu lernen. Sie holte ein kleines, hübsches Bild hervor, das einen Igel vorstellte. Vor der Nase des Igels stand der Buchstabe i.
„Jetzt, Pippi, sollst du etwas Lustiges zu sehen bekommen“, sagte sie schnell. „Hier siehst du einen Iiiigel, und dieser Buchstabe vor dem Iiiigel heißt i.“
„Ach, das glaube ich im Leben nicht“, sagte Pippi. „Ich finde, das sieht aus wie ein gerader Strich mit einem kleinen Fliegenpunkt drauf. Aber ich möchte wirklich gern wissen, was der Igel mit dem Fliegenpunkt zu tun hat.“
Die Lehrerin nahm das nächste Bild, das eine Schlange darstellte, und sagte zu Pippi, daß der Buchstabe davor S hieße.
„Da wir gerade von Schlangen reden“, sagte Pippi, „ich werde niemals vergessen, wie ich mit der Riesenschlange in Indien kämpfte. Das war so eine gräßliche Schlange, das könnt ihr euch nicht vorstellen, vierzehn Meter lang war sie und böse wie eine Biene, und jeden Tag fraß sie fünf Inder und zwei kleine Kinder zum Nachtisch, und einmal wollte sie mich zum Nachtisch haben, und sie wand sich um mich herum – kratsch – aber ,Man ist wohl Seefahrer gewesen‘, sagte ich und schlug sie auf den Kopf – bum – und da zischte sie – uiuiuiuitsch – und da schlug ich sie noch einmal – bum – und hapuh – dann starb sie – ja, ach so, das ist also der Buchstabe S – höchst merkwürdig!“
Pippi mußte etwas Atem holen. Und die Lehrerin, die jetzt begriff, daß Pippi ein unruhiges und schwieriges Kind war, schlug vor, die Klasse solle jetzt etwas zeichnen. Sicher würde Pippi still und ruhig sitzen und zeichnen, dachte die Lehrerin. Und sie holte Papier und Bleistifte und verteilte sie unter die Kinder.
„Ihr könnt zeichnen, was ihr wollt“, sagte sie und setzte sich auf das Katheder und fing an, Schreibhefte durchzusehen. Nach einer Weile blickte sie auf, um zu sehen, wie es mit dem Zeichnen ginge. Da saßen alle Kinder und schauten Pippi zu, die auf dem Fußboden lag und zeichnete.
„Ja, aber Pippi“, sagte die Lehrerin ungeduldig, „warum zeichnest du nicht auf dem Papier?“
„Das habe ich schon längst vollgezeichnet, aber auf dem lumpigen Stückchen Papier hat mein ganzes Pferd nicht Platz“, sagte Pippi. „Gerade eben bin ich bei den Vorderbeinen, aber wenn ich zum Schwanz komme, muß ich wohl auf den Korridor rausgehen.“
Die Lehrerin überlegte eine Weile.
„Was denkt ihr, wollen wir jetzt mal ein kleines Lied singen?“
Alle Kinder stellten sich an den Bänken auf, alle außer Pippi, die immer noch auf dem Fußboden lag.
„Singt ruhig, ich ruhe mich inzwischen ein bißchen aus“, sagte sie. „Zuviel Gelehrsamkeit kann selbst den Gesündesten kaputtmachen.“
Aber jetzt war die Geduld der Lehrerin zu Ende.
Sie sagte zu den Kindern, sie sollten alle auf den Schulhof hinausgehen, denn sie wollte
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