Pippi Langstrumpf
Baumstumpf und faßt da hinein? Man findet wirklich fast immer Sachen in alten Baumstümpfen.“
Annika steckte die Hand hinein und griff beinahe sofort eine rote Korallenkette. Thomas und sie standen bloß da und gafften eine Weile, so erstaunt waren sie. Und sie dachten, daß sie jetzt jeden einzigen Tag Sachensucher sein wollten.
Pippi war die halbe Nacht aufgewesen und hatte Ball gespielt, und nun war sie plötzlich schläfrig.
„Ich glaube, ich muß mich jetzt mal hinlegen“, sagte sie. „Könnt ihr nicht mit reinkommen und mich zudecken?“
Als Pippi auf dem Bettrand saß und ihre Schuhe auszog, schaute sie sie nachdenklich an und sagte:
„Er wollte Kahn fahren, hat er gesagt, dieser Benno. Puh!“ Sie schnaubte verächtlich. „Ich werd’ ihn schon Kahn fahren lehren – ein anderes Mal!“
„Sag mal, Pippi“, sagte Thomas ehrfürchtig, „warum hast du eigentlich so große Schuhe?“
„Damit ich mit den Zehen wackeln kann, weißt du“, antwortete sie. Dann legte sie sich zum Schlafen hin.
Sie schlief immer mit den Füßen auf dem Kopfkissen und mit dem Kopf tief unter der Decke.
„So schlafen sie in Guatemala“, versicherte sie. „Das ist die einzig richtige Art zu schlafen. Und so kann ich auch mit den Zehen wackeln, wenn ich schlafe. Könnt ihr ohne Wiegenlied schlafen?“ fuhr sie fort. „Ich muß mir immer erst eine Weile was vorsingen, sonst kann ich kein Auge zumachen.“
Thomas und Annika hörten es unter der Decke summen. Das war Pippi, die sich in Schlaf sang. Leise und vorsichtig schlichen sie hinaus, um sie nicht zu stören. An der Tür drehten sie sich um und warfen einen letzten Blick auf das Bett. Sie sahen nichts anderes als Pippis Füße, die auf dem Kopfkissen lagen. Da lag sie und wackelte nachdrücklich mit den Zehen.
Und Thomas und Annika liefen nach Hause. Annika drückte ihre Korallenkette fest in der Hand.
„Komisch ist es aber doch“, sagte sie. „Thomas, du glaubst wohl nicht – meinst du, daß Pippi die Sachen vorher hineingelegt hat?“
„Man weiß nicht“, sagte Thomas. „Bei Pippi weiß man eigentlich niemals was.“
Pippi spielt Haschen mit Schutzleuten
In der kleinen Stadt wurde es bald allgemein bekannt, daß ein neunjähriges Mädchen allein in der Villa Kunterbunt wohnte. Die Mütter und Väter der Stadt fanden, daß das durchaus nicht anginge. Alle Kinder müßten doch jemand haben, der sie ermahnt, und alle Kinder müßten in die Schule gehen und rechnen lernen. Und daher bestimmten alle Mütter und Väter, daß das kleine Mädchen in der Villa Kunterbunt sofort in ein Kinderheim solle.
Eines schönen Nachmittags hatte Pippi Thomas und Annika zu Kaffee und Pfefferkuchen eingeladen. Sie deckte den Tisch auf der Verandatreppe. Da war es so sonnig und schön, und alle Blumen in Pippis Garten dufteten. Herr Nilsson kletterte auf dem Verandageländer rauf und runter. Und hin und wieder streckte das Pferd seine Nase vor, um einen Pfefferkuchen zu kriegen.
„Wie schön ist es doch zu leben“, sagte Pippi und streckte ihre Beine weit aus.
Gerade da kamen zwei Schutzleute in voller Uniform durch die Gartentür.
„I“, sagte Pippi, „ich muß heute wieder einen Glückstag haben. Schutzleute sind das beste, was ich kenne – außer Rhabarbergrütze.“
Und sie ging den Schutzleuten entgegen, vor Entzücken über das ganze Gesicht strahlend.
„Ist das hier das Mädchen, das in die Villa Kunterbunt eingezogen ist?“ fragte einer der Schutzleute.
„Im Gegenteil“, sagte Pippi. „Das hier ist eine ganz kleine Tante, die in der dritten Etage am anderen Ende der Stadt wohnt.“
Pippi sagte das nur, weil sie mit den Schutzleuten etwas spaßen wollte. Aber die Schutzleute fanden das durchaus nicht lustig. Sie sagten, Pippi solle nicht versuchen, Witze zu machen. Und sie erzählten, gute Menschen in der Stadt hätten dafür gesorgt, daß sie einen Platz in einem Kinderheim bekäme.
„Ich habe schon einen Platz in einem Kinderheim“, sagte Pippi.
„Was sagst du, ist das schon in Ordnung?“ fragte der einer der Schutzleute. „Wo liegt das Kinderheim?“
„Hier“, sagte Pippi stolz. „Ich bin ein Kind, und das hier ist mein Heim, also ist es ein Kinderheim. Und Platz habe ich hier. Reichlich Platz.“
„Liebes Kind“, sagte der Schutzmann und lachte, „das verstehst du nicht. Du mußt in ein richtiges Kinderheim kommen und jemand haben, der sich um dich kümmert.“
„Kann man in einem Kinderheim Pferde haben?“ fragte
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