Pirat des Herzens
nicht. »Das kann man wohl kaum als Heim bezeichnen«, bemerkte sie bitter und trat zur Seite. »Was für eine Überraschung für deinen armen Vater -es geht ihm gar nicht gut. Tretet ein!« Die Einladung klang wenig erfreut.
»Bleib draußen, Mac«, wandte sich Liam an seinen Begleiter. »Ein Pfiff genügt, falls ein ungebetener Gast auftaucht.«
Macgregor nickte.
Eleanor schloß die Tür auf. »Warum hast du uns nicht benachrichtigt?« fragte sie vorwurfsvoll.
»Ich habe viele Briefe geschrieben. Hat Vater keinen erhalten?«
»Es sind ein paar Briefe gekommen, aber ich wollte seinen Seelenfrieden nicht mit den selbstsüchtigen Forderungen seiner verwöhnten Tochter stören. Er hat weiß Gott andere Sorgen.«
»Meine Bitte, heimkommen zu dürfen und verheiratet zu werden, kannst du kaum selbstsüchtig nennen«, entgegnete Katherine spitz.
»Und was soll deine Mitgift sein?« fragte Eleanor giftig. »Zwei Kühe und ein Schwein?«
Katherine wußte, daß Eleanor sie nicht leiden konnte, vom ersten Augenblick an, als die schöne, strahlende Braut an Geralds Seite in Askeaton Castle Einzug hielt. Eine bis heute schmerzvolle Erinnerung für Katherine, nicht weil Eleanor so glücklich war, sondern weil ihr Vater Gerald vor Glück strahlte, obgleich Katherines Mutter Joan erst vier Wochen zuvor zu Grabe getragen worden war. »Es kann doch nicht alles verloren sein«, murmelte Katherine. »Es wird doch irgend etwas für meine Mitgift übrig sein.«
»Alles wurde uns genommen und zerstört«, entgegnete Eleanor bitter. »Ich muß bei den Nachbarn betteln gehen. Wir leben von Brot und Met!«
Katherine wollte nichts davon hören. »Wo ist mein Vater? Ich will ihn sehen!«
»Gerald schläft, aber ich wecke ihn, da O’Neill bei dir ist. Wartet hier.« Eleanor rauschte an Katherine vorbei, nahm eine Kerze und stieg die schmale Treppe hinauf.
Katherine war verblüfft, daß Eleanor den Piraten kannte. Ihr Vater hatte vor vielen Jahren etwas mit dem Anführer Shane O’Neill zu tun gehabt. Irland war eine kleine Welt. Vermutlich hatte auch Eleanors Vater, Baron Duboyne, mit den O’Neills Handel getrieben.
Bangen Herzens wartete Katherine in der dunklen Halle auf ihren Vater. Die Reisigmatten rochen muffig. Der Raum schien nicht möbliert, soweit sie das in der Finsternis erkennen konnte. Eleanors Nachtgewand und Morgenmantel hatten schäbig und mehrfach ausgebessert ausgesehen. Vor sechs Jahren trug ihre Stiefmutter kostbare Gewänder und Pelze und war mit Schmuck behängt. Katherine hatte keinen einzigen Ring an Eleanors Fingern gesehen.
Sie fühlte Liams prüfenden Blick und wandte sich brüsk ab. Was sollte aus ihr werden, wenn Eleanor die Wahrheit sprach? Katherine begann zu zittern.
»Wach auf!« rief Eleanor und entzündete die Kerze auf dem Nachttisch neben dem schmalen Bett.
Gerald fuhr hoch und rieb sich die Augen. »Bei Gott, was ist los, Frau? Wo brennt’s?«
Eleanor setzte sich zu ihm ans Bett und griff nach seinem Arm. »Gerald - deine Tochter ist da!«
Gerald blinzelte, kam langsam zu sich. Er war ein schlanker Mann mit heller Haut und nachtschwarzem Haar. »Meine Tochter?« wiederholte er verständnislos.
»Gott hat meine Gebete endlich erhört!« rief Eleanor. »Er hat uns deine Tochter geschickt. Und noch dazu in Begleitung des Herrn der Meere!«
Gerald war völlig verdattert. »Wovon redest du, Eleanor? Bist du übergeschnappt?«
»Ich bin nicht übergeschnappt!« jubelte Eleanor. »Liam O’Neill! Der berüchtigte Pirat, Shane O’Neills Sohn. Er steht leibhaftig unten in der Halle! O Gerald! Endlich! Er kommt von Gott gesandt! Begreifst du denn nicht?«
Gerald war aus dem Bett gesprungen. »Ja, mein Herz, ich begreife! Schick ihn herauf!«
Katherine zuckte zusammen, als Liam seine Hand auf ihre Schulter legte. »Kommt«, sagte er beinahe freundlich. »Eure Stiefmutter ruft.«
Katherine wollte weder seine Sympathie noch sein Mitleid. Sie stürmte an ihm vorbei, die finstere Treppe hinauf. Gerald stand im Nachtgewand mitten in der Kammer. Mit einem Aufschrei flog Katherine in seine Arme und klammerte sich an ihn. Er war mager, aber warm und stark. Er würde gewiß eine Lösung aus der schrecklichen Notlage finden.
»Katie - wie geht es dir?«
Katherine lächelte matt. »Danke, Vater, ganz gut.«
Gerald streifte Liam mit einem Blick, wandte sich wieder seiner Tochter zu. »Wie groß du geworden bist!« Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Und schön bist du geworden, das Abbild
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