Pirat des Herzens
übrig? In wenigen Minuten würde er der Königin gegenüberstehen und bald danach in den Tower geworfen. Und außerdem waren all die anderen Frauen so schön!
Katherine hielt ihm den Rücken zugekehrt, die Schultern gestrafft. Die hohe Tür zu den königlichen Privatgemächern blieb lange verschlossen. Was dieser Debrays der Königin wohl berichtete? Würde die Königin ihr gestatten, in die Heimat zurückzukehren, um Hugh zu heiraten?
Katherines Entschluß, genau das zu tun, festigte sich. In den letzten sechs Jahren hatte sie so viel versäumt, hatte in vollständiger Abgeschiedenheit gelebt, die schönsten Jahre ihrer Jugend vergeudet. Man hatte ihr nicht nur das Schicksal ihres Vaters, den Verlust ihrer Heimat, ihres Besitzes, einen Ehemann und Kinder vorenthalten, man hatte sie daran gehindert, eine wunderbare neue Welt zu entdecken.
Doch es war noch nicht zu spät. Sie würde den Verlust wettmachen. Sie war noch nicht zu alt. Sie wollte Kinder, und sie wollte leben. Und eines Tages würde sie eine Reise nach London unternehmen. Katherine versuchte sich vorzustellen, wie sie an Hughs Seite, mit zwei kleinen Kindern an der Hand, die Märkte von London durchstöberte. Sie hatte Hugh nur als Knaben in Erinnerung und konnte ihn sich als Mann nicht vorstellen. Seufzend ließ sie von dem Gedanken ab.
Plötzlich öffneten sich die Türflügel, Debrays trat mit blasierter Miene heraus. Angst krampfte sich um Katherines Herz. Ihr Vater war in Ungnade gefallen, vielleicht ereilte sie in wenigen Minuten das gleiche Schicksal. An der Seite ihres Vaters in Southwark leben zu müssen war um keinen Deut besser, als ins Kloster nach Frankreich zurückgeschickt zu werden. Katherine nahm sich vor, mit großem Bedacht zu sprechen. Von der Königin wußte sie nur, was der allgemeine Klatsch über sie verbreitete. Sie war sehr gebildet, beherrsch- i te mehrere Sprachen fließend. Sie neigte zum Jähzorn und verlor rasch die Beherrschung. Aber sie war auch gerecht. Katherine betete, daß die Königin milde gestimmt war.
Ein würdevoller Herr erschien in der Tür, gerahmt von zwei Marmorsäulen. Sein Blick streifte Liam und Macgregor und blieb auf Katherine ruhen. »Ich bin Sir William Cecil. Ihre Majestät bittet Euch vorzutreten.«
Katherine hielt den Atem an und warf Liam einen letzten, verstohlenen Blick zu. Er lächelte ihr aufmunternd zu. Sie folgte Cecil, spürte Liams Blick im Rücken.
Beim Anblick der Königin wäre sie beinahe ins Stolpern geraten. Elisabeth saß auf einem Thron auf einer erhöhten Estrade, reglos wie aus Stein gemeißelt, und blickte Katherine direkt in die Augen.
Katherine war fasziniert von der prachtvollen Erscheinung der Königin.
Sie trug ein purpurfarbenes Damastgewand, übersät mit Goldperlen und von Goldfäden durchwirkt. Um ihre schmale Mitte trug sie einen breiten, mit Rubinen und Perlen besetzten Goldgürtel. Das tief ausgeschnittene Mieder entblößte einen elfenbeinweißen Busen, der zu üppig für ihre sonstige zierliche Gestalt wirkte. Ein tropfenförmiger Rubin, größer als Katherines Daumen, lag auf ihrer durchscheinenden Haut zwischen den Brüsten. Der Hals und das Haupt der Königin war von einem steifen, hellrosa Stoffgebilde gerahmt, die höchste Halskrause, die Katherine je gesehen hatte. Ihr rotgoldenes, gekräuseltes Haar war streng nach hinten frisiert und wurde von einer dunklen, mit Juwelen besetzten Samthaube gehalten.
Die Königin war siebenunddreißig Jahre alt. Einst eine schöne Frau, sah sie immer noch gut aus mit makelloser, elfenbeinweißer Haut - ihr feines, ovales Gesicht war nicht geschminkt. Hätte sie nicht die lange Nase und den schmalen Mund ihres Vaters geerbt, wäre sie eine ausgesprochen schöne Frau gewesen.
William Cecil hüstelte.
Katherine erschrak. Sie mußte dagestanden haben wie eine gaffende Bauernmagd. Verlegen errötend, sank sie in einen tiefen Hofknicks. Als sie sich wieder aufrichtete, bemerkte sie, wie die Königin Liam O’Neill musterte, kühl und gebieterisch, aber auch mit einem Funken, den Katherine nicht zu deuten wußte. Ihr Blick wanderte zu Katherine, die immer noch von Schamröte übergossen dastand. »Habt Ihr Euch mit Eurem Vater in einer Verschwörung gegen Uns verbündet, Mistreß?«
Katherine stockte der Atem. Ihr war, als würde der Boden unter ihren Füßen weichen. »Ich... wie bitte?«
»Ihr habt sehr wohl gehört. Habt Ihr Euch mit Eurem Vater gegen die Krone von England verschworen?«
Katherine war fassungslos.
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