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Piratenblut

Piratenblut

Titel: Piratenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernst Guben
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einmal sicher ist. Ich bin ja davon überzeugt, daß Impey sein Möglichstes tun wird, ihn an den Galgen zu bringen. Aber leider treiben sich zur Zeit so viele Neugierige aus London in Kalkutta herum. Man muß auf deren zarte Nerven Rücksicht nehmen.«
    »Das verstehe ich nicht. Entweder ist er schuldig, dann muß er mit oder ohne Rücksicht auf die Londoner Beobachter verurteilt werden, oder er ist unschuldig, dann muß man ihn so und so freilassen!«
    Tennessy wischte diesen Einwand mit einem »das versteht Ihr nicht, mein Kind« weg. Dann widmete er sich mit Aufmerksamkeit und Ausdauer dem Porridge.
    Robert Tennessy liebte es, den Lunch zu Hause einzunehmen, weil er sich dort dem Essen mit mehr Genuß hingeben konnte als im Klub.

    12

    Tag für Tag gingen die verhinderten Befreier durch die Stadt und hielten sich abwechselnd in der Nähe des Gefängnisses auf. Vorerst sahen sie jedoch keine Möglichkeit, die Gefangenen herauszuholen.
    Marina hatte von Isolde die Auskünfte erhalten, die Hawburys Tochter selbst wußte. Es war an sich nichts von Belang; denn der Radscha von Bihar und alles, was mit diesem zusammenhing, interessierte Marina nur am Rande.
    Sie überlegte, ob man mit der Befreiung nicht bis zur Deportation der Freunde warten sollte. Aber das war noch lange hin. Und Marina konnte sich vorstellen, wie sehr der Pfeifer unter dem Entzug der Freiheit litt.
    An einem der nächsten Tage, als Ibn Kuteiba, Fernando und Ernesto zu ihrem täglichen Patrouillengang aufgebrochen waren, saß Marina in der Halle des indischen Hotels auf einem Diwan und las in der vier Monate alten Ausgabe des »Daily Courant«, einer der berühmtesten Zeitungen des damaligen London. Sie wurde plötzlich angesprochen. »Ah, eine Mem-Sahib, die Zeitung liest. Etwas ganz Neues.«
    Sie erhob erstaunt die Augen zu dem Sprecher. Sie war in einen indischen Sarong gehüllt, in den sie sich an diesem Ort stets kleidete.
    Der Mann, der sie interessiert anstarrte, war ein baumlanger Engländer, zwischen dessen Zähnen eine kurze Shagpfeife steckte. Die Hände hatte er in den Taschen, und der Tropenhelm saß ihm im Genick. Er hatte halb Englisch, halb Hindustani gesprochen.
    »Höflich seid Ihr gerade nicht«, sagte Marina und legte die Zeitung weg. »Ich habe mir einen Gentleman immer anders vorgestellt.«
    Der Lange nahm zögernd die Hände aus den Taschen und wußte nicht recht, ob er sie auf dem Bauch oder auf dem Rücken falten sollte.
    »Ihr könnt ruhig auch die Pfeife aus dem Mund nehmen und den Hut absetzen, wenn Ihr schon dreist genug seid, eine Dame anzusprechen.«
    Marina schlug mit einem kurzen Griff den Kopfschal zurück und schüttelte die Fülle ihrer roten Haare.
    Der Engländer, der bislang geglaubt hatte, es mit einer Inderin zu tun zu haben, sperrte den Mund auf und stieß ein überraschtes »Ah« aus, wobei ihm die Pfeife auf den Boden fiel. Mit galanter Höflichkeit verbeugte er sich.»Stineway ist mein Name. Entschuldigt, Madam. Ihr seid Engländerin?«
    »Andere Menschen gelten wohl bei Euch überhaupt nicht, wie?«
    »Pardon, Euer Englisch ist so vollkommen, daß ich annehmen mußte, Ihr habt es in Oxford gelernt.«
    »Man kann gutes Englisch auch in Madrid lernen. Ich hatte dort einen Lehrer, der aus Oxford
war.«
»So seid Ihr Spanierin?«
»Ihr seid sehr scharfsinnig!«
Jetzt wurde auch er ironisch.
    »Man rühmt mir diese Eigenschaft nach. Sie gehört übrigens zu meinem Beruf. Ich bin nämlich Zeitungsmann, Korrespondent für den »Daily Courant«.«
    »Ah, so galt Euer Interesse also der Zeitung und nicht mir. Wenig schmeichelhaft für mich.«
    Stineway schien doch ein wenig verlegen. Sein ohnehin schon rotgebranntes Gesicht nahm eine noch dunklere Färbung an.
    »Verzeiht, Mylady, ich wollte Euch nicht kränken. Ich streife hier durch Indien, um mir dieses Land anzusehen. Ihr werdet Euch vorstellen, wie erstaunt ich war, ein Exemplar der Zeitung, die ich vertrete, in den Händen einer indischen Dame zu sehen.«
    Marina hatte plötzlich den Gedanken, daß es vielleicht nützlich sein könnte, diesen Pressemann etwas näher kennenzulernen.
    »Nehmt Platz, Mr. Stineway. Zeitungen haben mich von jeher interessiert.« Der Engländer ließ sich auf einem Sitzkissen nieder.
    »Ich wünschte, daß es mehr Leute in Kalkutta gäbe, die der Presse freundlich gegenüberstehen«, seufzte er, »Leider habe ich die Erfahrung gemacht, daß dem nicht so ist. Dabei interessieren sich unsere Leser in London gerade für dieses Land

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