Piratenblut
sich aber sofort, als er die schönen roten Umformen sah.
»Hé du«, sagte Ernesto, »mach die Zelle auf, in der der Gefangene Baum sitzt.«
Der Wärter kam eilig heran.
»Habt Ihr die Schlüssel mit, Sergeant?« fragte er.
Ernesto hielt ihm einen Schlüsselbund unter die Nase.
Der Wärter nahm ihn und suchte beim Schein der trüben Funzel, die Fernando in der Hand hielt. »Da ist der Schlüssel dreiundzwanzig nicht dran«, meinte der Wärter und blickte erstaunt auf; denn schließlich mußte der Sergeant ja die Zellennummer seiner Häftlinge kennen.
Zu allem Unglück beleuchtete jetzt auch das Licht für einen Augenblick Ernestos Gesicht. »Wer — wer seid Ihr?« fragte der Wärter unsicher.
Er hatte die Frage kaum ausgesprochen, als sich Ibn Kuteibas Hände mit klammernden Griffen
um seinen Hals legten.
»Zelle dreiundzwanzig — — los, los«, sagte Ernesto.
Fernando leuchtete die Türen ab. Die richtige lag nur ein paar Schritte entfernt.
Michel und Alfonso Jardín waren längst wach. Als Michel draußen seinen Namen nennen hörte,
wurde alles Abwehr in ihm. Was bedeutete das, daß man sie nachts abholte? Sollte das etwa eine
geheime Exekution geben?
Da öffnete sich die Tür, und Ernesto sagte :
»Señor Silbador — — seid Ihr hier drin?«
Michels Blick fiel auf Ibn Kuteibas Gestalt.
»Por Dios, damit habe ich nicht gerechnet! Hoffentlich kriegen wir Ojo schnell genug
wach.«Jardín war schon auf dem Gang.
Ojo grunzte unwillig. Langsam kam er zu sich.
»Qué diablo«, fluchte er. »Was wollt ihr Hunde mitten in der Nacht von uns?«
»Schnell, schnell, hombre«, sagte Ernesto. »Werde endlich wach! Wir haben keine Zeit zu verlieren! Die Señorita wartet draußen auf uns!«
Als Ojo merkte, was vor sich ging, stand er mit einem Satz auf den Füßen. j
»Ernesto, amigo, Gott sei Dank, daß ihr uns hier rausholt aus diesem verfluchten Loch!« Diesmal marschierten sie nicht geordnet durch die Gänge. Fernando hatte den bewußtlosen Wärter in die leere Zelle befördert, die Tür zugeschlagen und abgeschlossen.
Im Laufen nestelte er den Schlüssel vom Bund los und steckte ihn in die Tasche.
Ohne Zwischenfall erreichten sie die Straße. Marina stand wartend neben dem Schilderhaus. »Schnell, schnell, weg von hier. Der Lärm im Gefängnis war bis hier unten zu hören.« Die drei Befreier entledigten sich rasch der Uniformen und warfen hastig die eigenen Kleider über. Ihre Schritte verhallten in den nächtlichen Straßen.
14
Die federführende Ordonnanz im Vorderzimmer klopfte an Sir Hastings Zimmertür. Gleich darauf erscholl die über dem Vorzimmer angebrachte Glocke. Die Ordonnanz öffnete und nahm Haltung an.
»Der Gefängnisdirektor ist zum Rapport erschienen, Euer Herrlichkeit.«
Sir Hastings blickte auf. Eine steile Falte stand über seiner Nase. »Herein mit ihm«, sagte er ungnädig.
Der Gefängnisdirektor stand mit schlotternden Knien vor dem Generalresidenten. »Ich — — ich — — es ist — —«
»Good morning«, unterbrach ihn Hastings barsch. »Faßt Euch, Mann, und gebt mir einen klaren Bericht über die Geschehnisse der letzten Nacht. Ich glaube, es wird Zeit, daß Ihr nach England zurückgeht. Ihr werdet alt, Custer.«
»Verzeihung, Euer Herrlichkeit! Ich selbst bin vollständig fassungslos. Draußen im Schilderhaus und im Innern des Hofes standen zwei britische Posten. Ihr wißt, ich habe Sipoys als Wachen immer abgelehnt. Und der Oberaufseher ist ein alter, verläßlicher Sergeant.«
Custer schilderte die Ereignisse fast genauso, wie sie sich tatsächlich abgespielt hatten. Er hatte aus den Vernehmungen der drei Soldaten Steinchen um Steinchen zu einem vollständigen Mosaik zusammengefügt.
»Demnach sind es drei Männer gewesen, die die ganze Sache ausgeführt haben?«
»Ja, Euer Herrlichkeit. Ob allerdings draußen noch Leute gewartet haben, ist mir unbekannt.« Der Generalgouverneur erhob sich, faltete die Hände auf dem Rücken und ging wie ein gefangener Löwe im Zimmer auf und ab. Hinter seiner breiten Stirn arbeitete es. Ruckartig drehte er sich um und fragte mit schneidender Stimme:
»Sind noch in der Nacht Maßnahmen zur Verfolgung der Burschen getroffen worden?« »Yes, Euer Herrlichkeit. Eine ganze Schwadron hat die Suche aufgenommen!« Hastings lächelte geringschätzig.
»Na, viel wird dabei auch nicht herauskommen. Man weiß ja nicht einmal, in welche Richtung sie sich gewandt haben.«
»Ich denke doch. Es kann eigentlich nur der Weg nach Diamond
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