Piratenblut
Gurgeln wurde vom Regen übertönt.
»Ich habe ihn«, flüsterte Fernando, der Student. »Er hat etwa meine Größe.« »Gut, dann zieh ihn aus und binde ihn.«
Wenige Minuten später stand der Posten wieder in seinem Schilderhaus, als wäre nichts geschehen. Vor ihm allerdings lag ein halbnackter Mensch, der gefesselt und geknebelt war. Fernando klopfte an die Rückwand des Schilderhauses. Ibn Kuteiba kam herum und hielt dem Überfallenen ein Fläschchen mit einer scharfen Essenz unter die Nase. Es mochte Salmiak sein. Der beizende Geruch riß den Niedergeschlagenen aus seiner Betäubung. Als Fernando an seinen Augen sah, daß er vollkommen bei sich war, meinte er verhalten:
»Sieh hier den Dolch in meiner Hand. Ich nehme dir jetzt den Knebel ab, und du wirst rufen, was ich dir befehle. Ein einziger falscher Laut ist dein sicherer Tod.«
Er setzte seinem Gefangenen das Messer fühlbar auf den Rücken. Ibn Kuteiba zog ihm den Knebel heraus.
»Ruf deinen Kameraden und sag ihm, er soll herauskommen, weil hier etwas nicht geheuer zu sein scheint.« ,
Der Engländer schwieg. Aber das Messer ritzte ihm bereits leicht die Haut. Ein Blutstropfen rann seinen Rücken hinab und hinterließ eine warme Spur.
Fernando und Kuteiba packten ihn und hielten ihn mit dem Kopf in den Regen. »Ruf nun«, zischte der Student, »und kein Wort zuviel.«
Der im Hof patrouillierende Soldat hörte seinen Namen. Er blieb stehen und lauschte.
»Dick«, rief es wieder.
»Ja, Bill, bist du's?«
»Ja, komm mal heraus. Hier scheint etwas nicht geheuer zu sein.«
»Augenblick, muß nur den rechten Schlüssel finden. So ein Hundewetter!«
Er öffnete die kleine Tür, die in das große Tor eingelassen war. Doch kaum schwang der Flügel zurück und er stand im Freien, da erhielt er einen Schlag auf den Kopf und fand sich ein paar Minuten später, ebenfalls gefesselt und geknebelt, bei seinem Kameraden wieder.»So«, sagte Ibn Kuteiba und zog sich die nasse Uniform des zweiten Mannes glatt. »Nun kommt das schwerste Stück.«
Die beiden »Soldaten« schritten über den Hof zum Haus. Fernando öffnete mit einem Ruck die
Tür und sprang aufgeregt in den Gefängnisgang. Der Sergeant vom Dienst fuhr aus seinem
Dämmer hoch und brüllte den Eindringling an:
»Was ist? Was willst du?«
»Kommt schnell heraus, Sergeant, draußen im Regen liegt mein Kamerad. Er scheint ohnmächtig geworden zu sein!«
»Schöne Soldaten, die bei etwas Regen gleich aus den Latschen kippen. Kannst du ihn nicht
hereinbringen?«
»Allein kann ich ihn nicht tragen.«
»All right, ich komme schon.«
Er kam tatsächlich und gesellte sich kurze Zeit später, ebenfalls halbnackt, zu den anderen beiden Bündeln im Schilderhaus. Er hatte allerdings den schlechtesten Platz bekommen, denn sein Kopf ragte aus der schmalen Unterkunft in den strömenden Regen.Ernesto trug bereits seine Uniform.
Einen Havelock um die Schultern und eine Kapuze über dem roten Haar, trat Marina hinter einem Mauervorsprung zu den dreien.
»Gute Arbeit«, lobte sie. »Nun aber schnell. Ich warte hier. Sollte sich draußen irgend etwas Unvorhergesehenes ereignen, werfe ich die Pulverbombe auf den Hof.«
Die drei Uniformierten gingen zuerst in die Pförtnerstube und suchten nach den
Schlüsselbunden. Alle verfügbaren Schlüssel nahmen sie an sich. Sie wußten nur, hinter welchem Zellenfenster die Freunde saßen; aber das war, von innen her gesehen, ein schwacher Anhaltspunkt. Ernesto als Sergeant marschierte durch den Haupteingang vor den beiden her. Fernando und Ibn Kuteiba folgten in militärischer Ordnung, wie es ein Wachkommando nicht besser hätte vorexerzieren können. »Hier in der Nähe muß es sein«, sagte Fernando. Sie gingen mit tappenden Schritten.
In den Zellen wurde es lebendig. Man hörte Schimpfen über die nächtliche Ruhestörung. »Sollte mich doch wundern«, flüsterte Ernesto zurück, »wenn Ojo nicht ebenfalls laut schimpfen würde. Wie ich ihn kenne —«
»Wir müssen noch lauter auftreten«, meinte Ibn Kuteiba. »Er hat einen sehr festen Schlaf.« Es war ein halber Paradeschritt, was sie da veranstalteten. Es hallte im Gang wider. Doch Ojos Baß war unter der johlenden Meute der wütenden Zellenbewohner nicht zu vernehmen. Sie blieben stehen.
»Es nützt nichts«, sagte Fernando. »Am schnellsten geht es, wenn wir rufen. Señor Baum wird schon antworten.«
In diesem Augenblick erschien im Hintergrund das verängstigte und erstaunte Gesicht eines Wärters.
Er beruhigte
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