Piratenblut
der
galoppierenden Pferde zu früh wecken.«
Langsam kamen sie näher.
Da wieherte Jardins Pferd. Sie hielten an und warteten auf die Wirkung. Michel hatte den Finger
am Abzug. Aber nichts rührte sich.
»Zu komisch«, bemerkte Fernando.
Ihre Augen wurden starr, als sie neben den Erschlagenen standen. Die Pferde scheuten vor den Toten.
»Diaz«, schrie Jardín auf, als er seinen Freund zwischen ihnen liegen sah.
Mit einem Satz war er vom Pferd und eilte zu der vermeintlichen Leiche. Aus Michels Gesicht war jegliche Farbe gewichen.
»Armer, treuer Diaz«, flüsterte er in seiner Muttersprache. »Mußtest du so enden?« Auch er glitt aus dem Sattel.
Links und rechts knieten sie neben dem Gefährtenvieler Abenteuer. Michel riß ihm das Wams auf und preßte sein Ohr an die breite Brust. Seine Züge verloren ihren bedrückten Ausdruck. »Er lebt«, stellte er aufatmend fest.
In diesem Augenblick brummte Ojo unwillig im Schlaf, wobei er leicht die Lippen öffnete. Starker Weingeruch strömte ihnen aus Ojos Mund entgegen.
»Ha«, lachte Jardín. »Hahahahaha.« Er lachte plötzlich, daß ihm die Tränen über die Wangen liefen. »So ein verdammter Kerl, so ein Säufer! Und dann sucht er sich noch einen solchen Platz aus, um seinen Rausch auszuschlafen.«
Michel hatte indessen die Umgebung näher ins Auge gefaßt. Sein Blick fiel auf die an die Bäume Gefesselten. Haßvolle Augen begegneten ihm. Roach zerrte wie ein Wahnsinniger an seinen Fesseln. Unberührt von dem Ausbruch des Oberleutnants ging Michel auf ihn zu. »Guten Morgen«, sagte er trocken. »Das wird euch teuer zu stehen kommen«, fuhr ihn Roach an. »Uns? Was denn?«
»Glaubt ihr vielleicht, ihr könntet ungestraft einen ganzen Zug regulärer Soldaten ermorden?« »Ihr redet irre«, sagte Michel. »Als wir euch gestern abend verließen, lebtet ihr noch. Ihr habt doch mit eigenen Augen gesehen, daß wir soeben erst wiederkamen. Es ist ein wahres Wunder, daß unser Freund dieses Gemetzel überlebt hat. Wer hat Eure Leute ermordet?« Roach lachte wie ein Irrsinniger.
»Daß Euer Freund es überlebt hat — — haha — — überlebt hat — — er ist es doch gewesen,
der sie totgeschlagen hat wie tolle Hunde!«
Michel starrte ihn an.
»Was denn? Wie denn? Habt ihr ihn nicht gefangen und seid dann später von anderen überfallen worden?«
Adam Roachs Gesicht verzerrte sich zu einer teuflischen Fratze.
»Er hat uns überfallen«, schrie er. »Vor einer Stunde lebten sie alle noch. Und jetzt sind sie tot. — Tot — tot! Er hat gewütet wie ein Berserker. Schöne Freunde habt Ihr! Und dann hat er sich besoffen. Eine Ausgeburt der Hölle ist er. Ein Sohn des Teufels!«
»Kommt zu Euch«, fuhr ihn Michel an. »Ihr redet Unsinn. Ein Mann kann nicht zwanzig bewaffnete Soldaten erschlagen.«
»Er hat's aber doch getan! Er hat's getan! Prügelt ihn wach und fragt ihn selbst, das Untier!« Michel wandte sich ab. Er bedeutete seinen Freunden, die toten Soldaten zu begraben. Es war ein schweres Stück Arbeit, ohne Werkzeuge ein vorläufiges Grab zu machen. Spät am Nachmittag erst waren die Gefallenen unter der Erde. Michel ging hinüber zu dem Baum, an dem noch immer Adam Roach hing.
»Wenn Ihr mir versprecht, daß Ihr nichts mehr gegen uns unternehmen werdet, so nehme ich Euch die Fesseln ab.«
»Ja, ja«, schrie Roach. »Es ist unmenschlich von Euch, mich hier so lange hängen zu lassen!« Michel deutete mit einer Bewegung seines Kopfes auf die drei angebundenen Soldaten, von denen der eine tot war, was er aber jetzt erst bemerkte, und sagte : »Hat die auch unser Freund gefesselt?« Roach antwortete scharf:
»Das geht Euch nichts an. Ihr habt Euch nicht über Disziplinarstrafen aufzuhalten, die ich
verhänge.«
»Wieso ist der mittlere tot?« fragte Michel.
»Fragt Euren Freund, er weiß es besser als ich.«
Die beiden Lebenden hatten bis jetzt furchtsam geschwiegen. Nun aber widersprachen sie laut. »Er lügt, Sir. Er hat ihn selbst erschlagen, nachdem er schon am Baum hing.«
»Das dachte ich mir«, sagte Michel. »Wie ist das nun, soll ich Euch losbinden? Gebt Ihr mir Euer Ehrenwort, daß Ihr Euch ruhig verhaltet, bis ich Euch gehen lasse?«
»Ja«, preßte Roach heraus. Michel befreite zuerst die beiden Soldaten.
»Begrabt euern toten Kameraden«, sagte er. Dann schnitt er Roach los. Der dehnte und streckte sich und war nach wenigen Minuten wieder der alte.
Endlich kam Ojo zu sich. Michel, Jardín und Fernando hockten sich neben ihn. Ihre Augen
Weitere Kostenlose Bücher