Piratenblut
grundsätzlich habe ich gegen den Handel nichts einzuwenden; denn ich weiß nicht, woher sich solche Handelsgesellschaften wie die Ostindien-Kompanie das Recht auf derartige Monopole nehmen. Monopole treffen immer den Armen und bringen das Geld scheffelweise in die Taschen von Leuten, die ohnedies reich genug sind. Moralische Bedenken habe ich also nicht. Leider verfüge ich aber nur über einen geringen Geldbetrag, den ich vollständig aufbrauchen muß, wenn ich die vierzig Tonnen von van Groot abnehme. Dennoch bitte ich dich, mir zu sagen, wo ich dich eventuell erreichen kann. Du kannst versichert sein, daß wir gegen jedermann von deinem Angebot schweigen.« Hassan schien zwar nicht sehr begeistert, sagte aber dennoch :
»Wenn du dein Schiff zur Insel Resengain lenkst, so frage nur nach Hassan, dem Händler. Jeder Knabe kann dir Auskunft geben, wo ich zu finden bin.«
46
Michel blieb den ganzen Tag über nachdenklich. Das Angebot Hassans ging ihm durch den
Kopf. Es hatte viel Verlockendes für sich, brachte es doch tatsächlich — wie Ibn Kuteiba gesagt
hatte — ein Ziel in die Ratlosigkeit.
Michel ging zu Señor Virgen.
»Habt Ihr gute Karten von Amerika?«
»Sí, Señor. Welchen Teil wollt Ihr sehen?«
»Den, wo die Klimabedingungen etwa die gleichen sind wie hier auf Banda.«
Virgen dachte eine Weile nach. Dann zog er eine Karte von Südamerika hervor und deutete auf die große portugiesische Kolonie Brasilien.
»Hier, Señor Baum, hier kommen die berühmten Paranüsse her. Weshalb sollten da nicht auch
Muskatnüsse wachsen?«
Michel lachte.
»Ah, Ihr wißt schon, weshalb ich mich nach den Karten erkundigte. Es ist mir gar nicht lieb, daß
sich der Inhalt der Verhandlung, die ich mit Hassan geführt habe, schon auf dem ganzen Schiff
herumgesprochen hat.«
Virgen war ein wenig beleidigt.
»Ich bitte Euch, Señor Baum, ich bin doch nicht das ganze Schiff. Mir erzählte Ibn Kuteiba im
Vorbeigehen davon.«
Der Pfeifer nickte.
»Nichts für ungut, Señor Virgen. Ich wollte Euch nicht beleidigen. Was haltet Ihr von der Angelegenheit?«
»Hm. — Wenn ich bedenke, daß man erst in fünfzehn Jahren mit einer Ernte rechnen kann, so kann ich Ibn Kuteibas Begeisterung nur halb teilen. Was tun wir bis dahin?«
»Das ist eine Überlegung, die ich auch schon angestellt habe. Aber offen gestanden, vorläufig noch ohne Ergebnis.«
»Hinzu kommt noch, daß es in Brasilien ewig unruhig ist. Man weiß nie, ob man nach fünfzehn Jahren noch Besitzer seiner Plantage ist. Die Freiheit wird dort auchnicht gerade groß geschrieben. Die Sklaverei blüht. Das muß man alles bedenken.«
»Ja, das ist wahr. — Nun, zerbrecht Euch jetzt nicht unnötig den Kopf darüber. Wir werden sehen.«
Der Pfeifer ging in seine Kabine. Wieder wirbelten die Gedanken durch sein Hirn. Er bedachte vor allem die wirtschaftlichen Möglichkeiten. Die Frage war, ob überhaupt jemand der alten Fahrensleute Lust hatte, das Leben auf See gegen das auf einer Plantage zu tauschen. Und selbst wenn sich einige dazu bereit finden sollten, wie konnte man, ohne selber Sklaven zu halten, gegen die billige Sklavenarbeit der übrigen aufkommen?
Michel schüttelte die Gedanken ab, vorläufig wenigstens. Er wollte doch lieber den Sperling in der Hand behalten, als der Taube auf dem Dach nachjagen.
Es war schon später Nachmittag, als er sich umkleidete. Er wollte heute schon der Einladung Jan van Groots folgen.
So ließ er sich denn an Land rudern, mietete einen Wagen und fuhr hinaus zum Landsitz des Pflanzers.
Als er in der Nähe des Herrenhauses halten ließ, klang ihm zur Begrüßung ein Geräusch entgegen, wie es Knüppel verursachen, die auf menschliche Köpfe oder Körper niedersausen. Dazwischen hörte man das Wehgeheul der Geschlagenen.
Michel lief dem Lärm nach und gelangte ins Lagerhaus. Dort riß er die Tür auf und sah sich einer widerwärtigen Szene gegenüber.
Ein Weißer hatte einen Knüppel in der Hand und schlug unbarmherzig auf zwei braune Arbeiter
ein. Zwei farbige Posten standen an der Tür und grinsten. Sie hinderten den Pfeifer nicht am
Eintreten, weil dieser ein Weißer war.
Aus dem Mund des Schlagenden klangen die Worte:
»Ihr verdammten Halunken, macht das Stehlen jetzt solche Fortschritte, daß es schon zum guten Ton gehört? Wartet, ihr Hundsfötter, ich will es euch austreiben.«
Einige der Schimpfworte waren in deutscher Sprache erklungen. Michel nahm an, daß der Schläger Deutsch verstehen würde, und rief:
»Eine
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