Piratenblut
Sprachrohr: »Allons, Pierre, Kurs Südost bei Ost! Setzt alle Segel! Volle Fahrt voraus!«
Auf den van Grootschen Schiffen traute man seinen Augen nicht, als man sah, daß der vollbestückte Segler zusätzlich immer noch Segel um Segel aufzog. Ganz unglaublich aber fand man es, als sich vor aller Augen plötzlich die Masten verlängerten und weitere Segel im Winde knatterten. Das schwarze Schiff war doppelt so hoch wie ein normaler Segler. Niemand konnte hoffen, es je einzuholen.
50
Die übriggebliebenen Schiffe der zur Vernichtung Dieuxdonnés ausgelaufenen Reedereiflottille
drehten bei und nahmen Kurs auf Batavia.
Léon de Musset schloß sich an.
Der kleine lebhafte Franzose saß in seiner Kajüte und prostete seinem Steuermann zu.
Eigenartigerweise schienen die beiden Männer keine Trauer um die verlorenen Schiffe zu tragen, obwohl auch über ihren Toppen ein schwarzes Band wehte.
»Der arme van Groot«, lachte Léon. »Er wird einen schönen Schreck ausgestanden haben, als seine beiden Kähne auf Grund gingen. Hast du die Rettungsarbeiten beobachtet?« Der Steuermann nickte.
»Ja, es scheint niemand umgekommen zu sein. Sie haben alle aufgefischt. Dieuxdonnés
Breitseiten saßen hart an der Wasserlinie. Die Schiffe haben nicht nur gebrannt, sie sind auch
von unten her vollgelaufen.«
»Es ist ein Vergnügen, den Piraten kämpfen zu sehen.«
Der Steuermann lachte breit, griff aber statt zu einer Antwort zum Becher und leerte ihn mit einem Zug. —
In der Kabine van Groots war die Stimmung keineswegs ausgelassen oder heiter. Benjamin ließ den Kopf hängen.
»Jetzt habe ich nur noch zehn Schiffe, der Lump hat es bald geschafft. Ich möchte nur wissen, was ich ihm getan habe, daß er sich ausgerechnet meine Frachter aussucht! — Ist Euch zu Ohren gekommen, daß er je an einem anderen Schiff sein Mütchen gekühlt hätte?«
»Nein, Mynheer«, antwortete der Kapitän. »Er bleibt bei der Reederei van Groot.« Der Reeder schwieg eine Weile. Doch dann sagte er:
»Meine ganze Hoffnung setze ich jetzt auf meinen Bruder, daß er mir Kredit für die vier Schiffsladungen Muskatnüsse gibt. Ferner hoffe ich, daß Dieuxdonné Laarsens Flottille nicht findet.« —
Drei Tage später liefen sie in Batavia ein. Die Kunde von dem Mißerfolg der Expedition verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Stadt. Auch die Verwünschungen Unbeteiligter wollten kein Ende nehmen. Es machte die Holländer rasend, sich dieser Gottesgeißel fast schutzlos ausgeliefert zu wissen.Benjamin van Groot hatte sich gerade ein wenig von diesem Schlag erholt, als ihn neue, bestürzende Nachrichten beinahe die Fassung verlieren ließen. Ein Schiff brachte von den Banda-Inseln die Neuigkeit, daß der Seeräuber zwei Frachter von Laarsens Muskatnußflotte versenkt hatte. Van Groot sprach beim Gouverneur vor.
»Was soll ich tun, Mynheer«, verteidigte sich dieser. »Ihr selbst sagt, daß dem Freibeuter kein Schiff gewachsen ist. Ich kann es unmöglich verantworten, Einheiten der Kompanie gegen ihn einzusetzen. Nicht nur, daß wir keinen Schiffsraum überzählig haben, wir setzen uns zudem noch der Gefahr aus, uns diesen Dieuxdonné zum erbitterten Feind zu machen. Ich glaube nicht, daß die Aufsichtsräte der Niederländischen Ostindien-Kompanie mit solchen Maßnahmen einverstanden wären.«
»Was wollt Ihr«, erregte sich Benjamin. »Ich selbst gehöre zu den Aktionären der Kompanie. Und mein Aktienanteil ist nicht unbedeutend. Mein Geld ist euch Herren willkommen. Aber wenn ihr mir Schutz gewähren sollt, dann windet ihr euch in Ausreden. Ich habe fast den Eindruck, als hätten verschiedene Herrschaften in der Kompanie gar nichts dagegen, daß ich bald als ernstzunehmender Konkurrent erledigt bin.«
»Ich bitte Euch, Mynheer, ich finde es unfair, der Kompanie solche Gedanken zu unterstellen. Betrachtet doch die Lage auch einmal von unserer Seite. Es ist einfach so, daß wir den anderen Aktionären die Folgen einer Seeräuberjagd nicht zumuten können.« Der Reeder stöhnte.
»Das habe ich alles schon hundertmal gehört, nicht zumuten — — Risiko — — Aktienverluste — — und wer fragt nach mir, nach meinem Risiko? Selbst wenn ich meine
Ostindienroute einstellen würde, wäre ich nicht sicher. Meine Flaggen können sich weder auf dem Atlantik noch auf dem Pazifik oder sonstwo zeigen. Sie sind überall gefährdet.«
Der Gouverneur, der den reichen Reeder nicht verärgern wollte, enthielt sich jeglicher Äußerung und zuckte nur
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