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Piratenbraut

Piratenbraut

Titel: Piratenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Geisler
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tapfersten Piraten in der Halle ausharren?
    Mein Freund kommt gerade nach Hause, er schaut mir einen Moment über die Schulter und fragt belustigt: »Sitzt du jetzt immer mit solchen Pferdeschwanz-Typen zusammen? Die sehen ja aus wie die Heavy-Metal-Szene vom Dorf!«
    Ich nicke abwesend. Denn gerade geht Tom aus meiner Crew ans Saalmikro. Er erinnert daran, dass beim letzten Landesparteitag im Frühjahr ein ähnlicher Antrag für ein sogenanntes »Klarnamensliquid« abgelehnt worden sei. Nun werde wohl versucht, »das über die Geschäftsordnung durchzudrücken«, kritisiert Tom: »Ich weiß nicht, ob wir ein Klarnamensliquid jetzt nach zwei vollen Tagen um diese Uhrzeit einführen sollen.«
    Andere aber wollen offensichtlich gerade jetzt Fakten schaffen. Jemand hat einen Gegenantrag gestellt. Es kommt zur Kampfabstimmung, der Gegenantrag gewinnt, bevor ich überhaupt nur die Unterschiede entdeckt habe. Wenig später fragt der für Liquid Feedback zuständige Bundesvorstand Klaus Peukert auf Twitter: »Bevor ich pennen geh, was kam beim Liquiddingsi raus und wie schlimm ist es?« Offensichtlich hat selbst er das entscheidende Parteitagsfinale verpasst. Nun bekommt er von Christopher Lauer via Twitter erklärt, der Alternativantrag habe gewonnen. »Was ist der Diff zum Original und finden wir das gut?«, hakt Peukert nach. Lauer versichert: »Ja, wir finden das gut.« Schön zu wissen.

19 »Berufswunsch Todesstern«
    19 »Berufswunsch Todesstern«
Ich oute mich als Besitzerin zweier Stimmen in der Demokratiesoftware Liquid Feedback und fürchte den Shitstorm
    Gerade mal 140 Zeichen stehen mir zur Verfügung, um der Welt via Twitter mitzuteilen: Ich habe im Selbstversuch herausgefunden, wie leicht man sich in der Meinungsbildungssoftware der Piratenpartei eine zweite Stimme ergaunern kann. Und weil ich in diesem Tweet auch noch einen Screenshot meines zweiten Liquid-Feedback-Accounts verlinken und einen Verweis auf ein Piratenpad unterbringen will, in dem ich die Geschichte von Pirat111 genauer aufgeschrieben habe, bleiben mir gerade mal 99 Zeichen.
    Ich will nichts dem Zufall überlassen. Zu sachlich darf der Hinweis nicht sein, sonst überliest er sich zu leicht, aber allzu alarmistisch soll er auch nicht klingen. Ich bin ja nicht die Bild -Zeitung. Ich möchte auf ein Problem aufmerksam machen und hoffe auf eine Lösung.
    Seit ich mir bewiesen habe, wie einfach sich Voten im Liquid Feedback verfälschen lassen, leide ich an den Piraten. Ihr Umgang mit der Software kommt mir zunehmend dubios vor.
    Eine ganze Weile trug ich mein Unbehagen heimlich mit mir herum, wusste nicht recht, was ich davon halten sollte. Natürlich hatte ich geahnt, dass die Manipulationsmöglichkeiten der Parteispitze längst bekannt sein dürften. Sicher war ich mir aber erst, als ich eines Morgens einen Blogbeitrag der Softwarefachleute las, die Liquid Feedback für die Piratenpartei programmiert hatten. Geradezu wütend distanzierten sie sich darin vom Umgang der Partei mit dem Programm und versicherten: Sie wollten »nicht für die gesellschaftliche Etablierung von scheinbar demokratischen Verfahren stehen«.
    Scheinbar demokratisch. Ungefähr so sah ich das auch. Gespannt verfolgte ich, was diese Nachricht auslösen würde – und war ernüchtert über ihr Echo. Unter Überschriften wie »Piratenpartei verärgert Entwickler von Liquid Feedback« ging die Neuigkeit kurz durch die Presse, aber das war’s auch schon. Nirgends ein Hinweis darauf, wie einfach sich theoretisch jedes Parteimitglied mehrere Stimmen beschaffen kann, obwohl namhafte Piraten in den Medien gerne mal das Gegenteil behaupten.
    Ich entschied mich, zunächst eine E-Mail an den Bundesvorstand meiner Partei zu schicken. Das Schreiben war eine Mischung aus Selbstanzeige und Appell. Ich schilderte, wie ich an meinen Zweitaccount geraten war, um anschließend den Parteivorstand aufzufordern, der Basis dieses Problem und seinen Umgang damit schleunigst unmissverständlich zu vermitteln. Immerhin konnte so ein drastisches Sicherheitsproblem von der Partei nicht einfach hingenommen, ja öffentlich sogar klein- beziehungsweise weggeredet werden. Was hatte das mit der neuen Transparenz zu tun, für die wir Piraten bei jeder Gelegenheit werben? Weshalb wussten Basismitglieder wie ich nichts von dieser Problematik? Und nachdem ich mich ein wenig in Rage geschrieben hatte, fügte ich noch hinzu: »Warum unternehmt ihr nichts dagegen?«
    Nur zwei Stunden später bekam ich eine

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