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Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Titel: Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
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hinunterzuschleichen, wenn sie glaubte, er wäre nicht da?
    Er würde nie erfahren, wie oder warum, aber letztendlich spielte es keine Rolle. Nur eines zählte: Sie war hier, und der Dämon ließ sich nicht im Zaum halten. Die Tür der Echokammer flog auf, und das Letzte, was Crake wahrnahm, bevor sein Leben sich ein für alle Mal änderte, waren ein orkanartiger Wind, der nach Schwefel roch, und ein ohrenbetäubendes, schauerliches Geheul.
Als er wieder zu sich kam, war es dunkel und still im Sanktum. Eine einzelne elektrische Lampe war heil geblieben. Sie lag neben der Echokammer auf der Seite und beleuchtete von unten die bedrohliche Form des gepanzerten Anzugs, der noch immer durch Kabel mit der zerbeulten Metallkugel verbunden war.
    Crake war desorientiert. Es dauerte mehrere Sekunden, bis ihm klarwurde, wo er sich befand. Sein Geist fühlte sich zerkratzt und wund an, als hätten Nagetiere von innen daran herumgescharrt, als hätten sie seine Sinne mit kleinen, schmutzigen Krallen verletzt. Der Dämon war in seinem Kopf, in seinen Gedanken gewesen. Aber was hatte er dort getan?
    Er merkte, dass er aufrecht dastand. Er schaute nach unten und sah einen Brieföffner in seiner Hand, der die Insignien seiner Universität am Griff trug. Der Brieföffner und die Hand, die ihn hielt, waren glitschig und dunkel von Blut.
    Aus den Schatten kam ein klickender Laut. Rote, verschmierte Flecken auf den Steinen. Er folgte ihnen mit den Augen, und dort fand er sie.
    Ihr weißes Nachthemd war rot getränkt. Stichwunden in ihren Armen und ihrem Hals, wo der Brieföffner eingedrungen war. Leuchtend rotes, dickes Blut quoll hervor, spritzte rhythmisch heraus. Sie schnappte nach Luft wie ein Fisch, machte klickende Laute in ihrer Kehle. Jeder Atemzug war ein flaches Keuchen, und ihre Lippen und ihr Kinn waren rot. Das braune Haar war zu durchnässten Knäueln verfilzt.
    Ihre Augen. Flehend. Verständnislos. Benommen von unbegreiflichen Qualen. Sie wusste nichts über den Tod. Sie hätte nie gedacht, dass so etwas passieren könnte. Sie hatte ihm mit einer blinden, bedenkenlosen Liebe vertraut, und er war mit einem Brieföffner auf sie losgegangen.

    Es war die Rache des Dämons, weil Crake gewagt hatte, ihn aus dem Äther zu holen. Er war grausam genug gewesen, ihn am Leben zu lassen, unversehrt und mit intaktem Verstand.
    Crake hatte nicht gewusst, dass Schmerz, Verzweiflung und Entsetzen solche Ausmaße annehmen konnten wie jetzt. Ihre schiere Intensität war so groß, dass er das Gefühl hatte, sterben zu müssen. Wenn nur die Dunkelheit zurückkäme, wenn sein Herz nur aufhören würde zu schlagen! Aber es gab keine Gnade für ihn. Die Erkenntnis brach über ihn herein wie eine Flutwelle, und er taumelte und würgte; der Brieföffner fiel ihm aus den tauben Fingern.
    Sie lebte noch. Lebte noch und flehte ihn an, den Schmerzen ein Ende zu bereiten, wie ein schwer verletztes Tier, das von den Rädern einer Motorkutsche erfasst worden war. Flehte ihn an, irgendetwas zu tun, damit es besser wurde.
    »Sie ist ein Kind!«, schrie er die Dunkelheit an, als wäre der Dämon noch da und könnte seine Anklagen hören. »Sie ist doch bloß ein Kind, verdammt!«
    Doch als die Echos erstarben, war nur noch das feuchte Klicken seiner Nichte zu hören, wenn sie Luft zu holen versuchte.
    In diesem Moment brach ein so überwältigender Kummer über ihn herein, dass sein Verstand aussetzte. Er wurde von einer verrückten, verzweifelten Idee gepackt und handelte danach, ohne über die Folgen nachzudenken. Nichts anderes war wichtig. Nichts als das Geschehene ungeschehen zu machen, auf die einzige Weise, die ihm in den Sinn kam.
    Er nahm sie in die Arme und hob sie hoch. Sie war so leicht, so dünn und blass; Blut besudelte ihre weiße Haut. Er trug sie zur Echokammer, legte sie sanft hinein und schob die Tür zu. Trotz der Misshandlung, der die Tür ausgesetzt
gewesen war, fasste das Schloss, und sie verriegelte sich selbsttätig. Dann übermannte ihn eine Schwäche, und er sank auf die Knie, drückte die Stirn ans Bullauge in der Tür, und sein Körper wurde von Schluchzern geschüttelt.
    Sie lag auf dem Rücken, den Kopf zur Seite geneigt, und sah ihn durchs Glas an. Blut sprudelte ihr über die Lippen. Ihre Blicke begegneten sich, und es war so schrecklich, dass er es nicht ertragen konnte. Er stieß sich ab und ging zur Steuerkonsole hinüber.
    Dort tat er, was getan werden musste.
     
    Jez hatte schon Männer weinen sehen, aber noch nie auf

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