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Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Titel: Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
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geärgert, aber es war ihm ein gewisser Trost zu wissen, dass sein Bruder das Angebot inzwischen bereute. Condred war davon ausgegangen, dass sein Aufenthalt nur von kurzer
Dauer sein würde. Vielleicht hatte er gedacht, Grayther würde vor lauter Scham bald ausziehen und sich einen vernünftigen Job besorgen. Aber er hatte die Rechnung ohne die Entschlossenheit seines jüngeren Bruders gemacht, weiterhin nach Wissen zu streben. In dem Moment, als Grayther den leeren Weinkeller sah, stand für ihn fest, dass er in diesem Haus bleiben würde. Für diesen Raum hätte er alles ertragen können. Er war das perfekte Sanktum.
    Über drei Jahre waren vergangen. Drei Jahre, in denen Grayther seine gesamte Freizeit hinter der verschlossenen Tür des Weinkellers verbrachte, unter der Erde. Jeden Abend, wenn er von der Arbeit kam, nahm er ein unbehagliches Abendessen mit seinem missbilligenden Bruder und dessen hochnäsiger, vertrockneter Xanthippe von einer Gattin ein und verschwand dann nach unten. Er hätte das Abendessen liebend gern ausgelassen, aber Condred beharrte darauf, dass er ein Gast war und mit der Familie essen sollte. So gehörte es sich nun einmal, auch wenn alle Beteiligten es verabscheuten.
    Wie typisch für Condred, sich ins eigene Fleisch zu schneiden, alles im Namen der Etikette. Schwachkopf.
    Das Einzige, was das Leben im Haus erträglich machte, abgesehen von seinem Sanktum, war seine Nichte. Sie war ein entzückendes Ding: lebhaft, intelligent, freundlich und irgendwie unberührt von der säuerlichen Attitüde ihrer Eltern. Sie war fasziniert von den geheimen Experimenten ihres Onkels und lag ihm täglich in den Ohren, ihr zu zeigen, an was für einer neuen Kreation er gerade arbeitete. Sie glaubte fest daran, dass sein Sanktum ein Wunderland von Spielsachen und faszinierenden Maschinen war.
    Crake fand diesen Gedanken bezaubernd. Er begann, bei einem örtlichen Spielzeughersteller Spielsachen zu kaufen,
die er ihr schenkte, wobei er sie als seine eigenen ausgab. Ihre Eltern wussten, was er tat, und grinsten insgeheim abfällig, sagten ihrer Tochter jedoch kein Wort davon. Sie vergötterte ihren Faulenzer-Gast, und Grayther liebte sie ebenfalls.
    Diese drei Jahre des Studiums und der Experimente – Versuch und Irrtum – hatten ihn nun an diesen Punkt gebracht. Er hatte die Grundlagen erlernt und angewandt. Er hatte Dämonen heraufbeschworen und seinem Willen unterworfen. Er hatte Gegenstände gebannt, einfache Kommunikationen durchgeführt, sogar Wunden und Krankheiten mithilfe der Kunst geheilt. Er korrespondierte häufig mit erfahreneren Dämonisten und genoss bei ihnen einen guten Ruf.
    Jede Form des Dämonismus war gefährlich, und Crake war die ganze Zeit über sehr vorsichtig gewesen. Er hatte einen kleinen Schritt nach dem anderen gemacht, hatte an Selbstsicherheit gewonnen und sich nie überfordert. Er wusste sehr gut, was Dämonisten zustoßen konnte, die sich an Prozeduren versuchten, mit denen sie keine Erfahrung besaßen. Aber man konnte auch zu vorsichtig zu sein. Irgendwann musste man den Sprung wagen.
    Die Echokammer war der nächste Schritt. Die Echotheorie stellte den neuesten Stand der dämonistischen Wissenschaft dar; sie erforderte komplexe Berechnungen und Nerven aus Stahl. Mit ihr konnte ein Dämonist in noch nie zuvor betretene Bereiche vordringen, um seltsame neue Dämonen aus dem Äther zu pflücken. Die alte Garde verkalkter Dämonisten wollte nichts davon wissen; aber Crake konnte nicht widerstehen. Die alten Wege waren verzeichnet und erforscht, aber dies war Neuland, und Crake wollte einer der Ersten in dieser Grenzregion sein.
    Heute Nacht wollte er eine Prozedur erproben, die er
noch nie durchgeführt hatte. Er würde dem Leblosen Leben einhauchen.
    Heute Nacht würde er einen Golem erschaffen.
    Er hörte auf, hin und her zu laufen, kehrte zur Echokammer zurück und prüfte zum zwanzigsten Mal die Anschlüsse. Die Echokammer war durch schalldichte Rohre mit einem bizarren gepanzerten Anzug verbunden, den er in einem Kuriositätenladen gefunden hatte. Der Ladenbesitzer hatte keine Ahnung, worum es sich dabei handelte. Er stellte die Theorie auf, das Ding könnte für die Arbeit in extremen Umgebungen gedacht sein, aber Crake war insgeheim anderer Meinung. Der Anzug hätte einem buckligen Riesen gepasst, und er war nicht luftdicht. Wahrscheinlich war er rein dekorativer Natur, oder ein skulpturales Ausstellungsstück, hergestellt von einem geistesgestörten Metallarbeiter.

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