Piratin der Freiheit
Festung, in deren Nähe niemand kommt. Ich habe ihn zufällig
auf einem seiner seltenen Ausflüge in der Nähe von
Okene gesehen. Weiter bin ich nie gekommen.«
»Stimmt es, wie man sagt, daß der Niger ein Arm des Nils ist, der nach Süden fließt?«
»Das weiß ich nicht, aber ich bezweifle es. Man hat mir erzählt, daß der Niger weiter flußabwärts die Wüste durchquert, aber einmal habe ich einen Händler getroffen, der schwor, von Timbuktu aus flußabwärts die Küste erreicht zu haben, und soweit ich weiß, liegt Timbuktu im Westen, der Nil dagegen im Osten.« Er
zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich ist dieser Kontinent viel größer, als wir ahnen.«
»Und wer könnte mehr über ihn wissen?«
»Die Araber, aber fast alle, die hierherkommen, sind Sklavenhändler. Und wenn die überhaupt etwas sagen, dann ist das fast immer falsch.«
Alle Anwesenden in der prunkvollen Messe hätten
gern noch mehr Fragen zu Afrika gestellt, aber in diesem Augenblick klopfte es leise an die Tür, und der Obermaat meldete sehr ernst:
»Schiffe im Westen.«
»Segel setzen und Anker lichten!« befahl Kapitän
Buenarrivo sofort. »Kurs auf offene See.« Er wandte sich an Celeste. »Wir erwarten sie lieber weit weg von der Küste.«
Das Mädchen nickte, und während der Venezianer die
Messe verließ, sah sie Pater Barbas an.
»Ich bitte Euch, von Bord zu gehen. Wenn es keine
Probleme gibt, kehren wir in einigen Tagen zurück.
Braucht Ihr etwas? Waffen, Munition, Lebensmit-
tel…?«
»Das alles wäre wunderbar«, sagte er. »Und anständi-ge Kleidung, wenn das nicht zuviel verlangt ist. Mit dieser alten Soutane sehe ich doch wie eine Vogel-scheuche aus.«
Er kletterte schleunigst zum Kanu hinunter und stieß sofort ab, damit die Dama de Plata aufs offene Meer hinausfahren konnte. Aufmerksam verfolgte man vom
Achterkastell aus die zwei Punkte am Horizont, die
rasch näher kamen.
Der kleine Kapitän stieß einen tiefen Seufzer aus.
»Die sind uns auf der Spur«, sagte er. »Und sie scheinen gut bewaffnet zu sein.«
»Wie viele Kanonen?«
»Jedes Schiff fünfzig, schätze ich.«
»Können wir es mit ihnen aufnehmen?« fragte Cele-
ste.
»Das hängt vom Wind, vom Meer, von ihren Irrtü-
mern und unserem eigenen Geschick ab. Den einzelnen Schiffen sind wir an Feuerkraft überlegen, und wahrscheinlich schießen wir auch weiter, aber wenn sie uns gemeinsam angreifen, ziehen wir den Kürzeren.«
»Könnten wir fliehen?«
»Nicht mehr lange«, befand der Venezianer. »Um die-
sen Abstand zu halten, müssen wir ständig mit dem
Wind segeln, und wenn sich, wie es fast täglich passiert, der Wind am Nachmittag dreht und uns zur Küste treibt, sind wir ihnen ausgeliefert.«
»Wozu ratet Ihr also?«
»Tiefe Gewässer aufzusuchen. Wenn uns schon der
Wind nicht helfen kann, dann wenigstens das Meer. Je höher die Wellen, um so besser. Schließlich sind sie die Jäger und wir die Beute.«
Er rief seine Offiziere zusammen und wies sie über
eine halbe Stunde lang präzise an, welche Manöver sie von nun an auszuführen hätten. Dann schloß er sich mit Hauptmann Sancho Mendana in seiner Kajüte ein, um
mit ihm die Gefechtsstrategie für den Fall auszuarbeiten, daß man ihnen eine Schlacht aufzwang.
Inzwischen kamen die zwei Schiffe – über hundert
Meter lange Fregatten englischen Typs – immer näher, bis man ihre Fahnen ausmachen konnte: ein Holländer steuerbord, ein Franzose backbord.
»Das hilft uns«, brummte Arrigo Buenarrivo. »Das
heißt, sie stehen nicht unter gleichem Befehl. Jeder Kapitän wird uns als erster angreifen wollen, um seinen Mut zu beweisen. Wie mein Großvater immer sagte:
Durch Rivalität unter Verbündeten wurden mehr
Schlachten verloren als durch die Verdienste des
Feinds.« Aufmerksam beobachtete er sie durch sein
Fernglas, von dem er sich nie trennte: »Der Holländer ist offensichtlich schneller und besser bewaffnet. Er wird in die Falle gehen.«
In der folgenden Stunde täuschte die Galeone vor, mit aller Kraft den Abstand zu ihren Verfolgern halten zu wollen. Dabei fuhr sie immer weiter aufs offene Meer hinaus. Schon war das schützende Kap der Drei Spitzen nur noch ein Punkt am Horizont, und immer mächtigere Wellen, die von Westen heranrollten, wühlten die See auf. Bald verschwand das Schiff, wenn es in ein tiefes Wellental tauchte, völlig aus dem Blickfeld seiner Verfolger.
Dann stieg es erneut zum nächsten Wellenkamm auf.
In diesen Augenblicken konnten
Weitere Kostenlose Bücher