Piratin der Freiheit
sie sich genau aus-
rechnen, wieviel Abstand sie zu den Fregatten verloren hatten. Diese trennten sich allmählich, obwohl sich das hintere Schiff sehr bemühte, nicht zurückzufallen.
An Bord der Dama de Plata, die bereits demonstrativ ihre riesige, weithin sichtbare Kriegsflagge gehißt hatte, herrschte enorme Betriebsamkeit. Vom Offizier bis
zum letzten Schiffsjungen strengten sich alle an, als ginge es um ihr Leben, und genau darum ging es auch.
Am frühen Nachmittag konnten sie den Namen des
holländischen Schiffs, Cuxhaven, erkennen, und bald darauf schemenhaft die Besatzung, die neugierig auf die Masten geklettert war. Die Cuxhaven folgte dem
Kielwasser der Dama de Plata durch ein dunkles Meer, an dessen Horizont bereits keine Küste mehr auszumachen war.
Kurze Zeit darauf donnerte der rauhe Baß des Vene-
zianers über die Köpfe der Seeleute hinweg:
»Fünf Minuten bis zum Manöver!«
Ein Pfiff ertönte.
Eine Glocke läutete, um alle an den unteren Geschützen zu warnen.
Es war heiß, und obwohl eine Seebrise die Hitze linderte, waren alle Männer in Schweiß gebadet.
»Drei Minuten!«
Ein Pfiff ertönte.
Eine Glocke läutete.
Nur drei Meter von ihrem Vater entfernt klammerte
sich Celeste Heredia an die Reling und musterte die Mannschaft auf dem Hauptdeck. Beruhigt stellte sie
fest, daß alle zwar höchst angespannt waren, aber doch genau wußten, was sie taten. Sie war stolz darauf, die Männer mit ausgewählt zu haben.
»Eine Minute!«
Ein Pfiff ertönte.
Eine Glocke läutete.
Eine riesige Welle, der Hand Neptuns gleich, hob sie in die Höhe, und jetzt erkannten sie die stolze Galionsfigur der Cuxhaven, ein aufgerichteter, roter Löwe, der ihnen aus einer knappen Viertelmeile Entfernung drohte, bevor sie wieder ins tiefe Tal der nächsten Welle hinabglitten.
»Jetzt!«
Ein Piff ertönte.
Eine Glocke läutete.
In Windeseile refften Segel- und Toppsgasten nun die Segel, während zwei Männer dem Steuermann dabei
zur Hand gingen, das Ruder hart steuerbord herumzu-
reißen.
Ziel war es, einen fast rechtwinkligen Kurs zu ihren Verfolgern einzuschlagen.
Das schwere Schiff kam heftig ins Schlingern, und einige Augenblicke drohte es gar entzweizubrechen oder zu kentern. Als es jedoch wieder in die Höhe stieg, befand es sich seitlich zum nächsten Wellenkamm.
Kurz darauf lag es völlig gegen den Wind. Lediglich zwei Focksegel, deren Taue man gelockert hatte, flat-terten ohnmächtig im Wind.
Der Kapitän der holländischen Fregatte wollte seinen Augen nicht trauen. Statt des Achterschiffs einer
schweren Galeone auf der Flucht blickte er auf die kanonengespickte Steuerbordseite einer mächtigen
Kriegsmaschine, die ihm nur ihre Aufbauten und drei kahle Masten als Ziel bot.
Dagegen standen der Cuxhaven für einen Angriff in
diesem Augenblick nur zwei kleine Feldschlangen am
Bug zur Verfügung, gleichzeitig bot sie den vierzig Sechsunddreißigpfündern des Feinds eine riesige Takelage dar.
»Feuer!«
Die Stimme von Hauptmann Sancho Mendana klang
vollkommen gefaßt. Und so feuerte die Deckbatterie
unisono eine Salve verketteter Kugeln ab. Diese rotierten durch die Luft und rissen bereits mit der ersten Salve das voll entfaltete Segelwerk des Feinds in Fetzen.
Es kam die nächste Welle, die Galeone stieg empor,
und in diesem Augenblick schickte die Batterie des
mittleren Decks die gleiche Botschaft.
Segel, Taue, Wanten, Männer und sogar der Fockmast
der Cuxhaven flogen in die Luft. Als dann noch das
rote Haupt des riesigen Löwen wie ein Stein ins Meer fiel, war jedem klar, daß die stolze, schnelle holländische Fregatte nur noch ein Trümmerhaufen war. Sie
war nun den Launen des Ozeans völlig ausgeliefert und in der Gewalt derjenigen, die sie vernichten wollte.
»Focksegel festmachen, Steuer backbord, Großsegel
los und Besansegel hissen!«
Ein Pfiff ertönte.
Eine Glocke läutete.
Der Befehl wurde ausgeführt, bevor jemand Amen sa-
gen konnte. Dann nahm die Dama de Plata ihren alten Kurs wieder auf, entfernte sich Richtung Osten und ließ die traurigen Reste von Feind Nummer eins hinter sich.
Das französische Schiff wußte, daß es waffentech-
nisch unterlegen war. Von der unerwarteten Wende
binnen weniger Minuten beeindruckt, schien es für einen Augenblick vor einer Schlacht zurückzuschrecken und fuhr dann auf seinen Verbündeten zu, um Hilfe
anzubieten.
Daraufhin wandte sich Celeste Heredia an Kapitän
Buenarrivo.
»Großartig!« jubelte sie. »Das
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