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Piratin der Freiheit

Piratin der Freiheit

Titel: Piratin der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa , Freiheit_1_.doc
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Verstand war, auch nur ein armseliges Huhn hergegeben hätte.
    So war dieser Tausch, von dem beide Seiten derart
    profitierten, im Grunde nichts weiter als ein Beweis dafür, welche abgrundtiefen Unterschiede zwei Welten trennten, die sich niemals verstehen würden.
    Jean-Claude Barriere, den schon seit vielen Jahren
    niemand mehr so zu nennen wagte, geriet immer mehr
    in Rage.
    Und jetzt bekam er es sogar richtig mit der Angst zu tun, denn das Glück schien ihm die kalte Schulter zu zeigen. Seit drei langen Monaten hatte er keinen einzigen Sklaven mehr verkauft, keine einzige Guinee, kein einziges Gewehr oder einen läppischen Sack Munition erhalten, und nun gingen ihm langsam die Vorräte aus.
    Bald würde er seine Krieger nicht mehr ernähren können und sich gezwungen sehen, sie loszuschicken, um Lebensmittel zu requirieren, was bedeutete, die Zitadelle zu entblößen.
    Und als wäre das noch nicht genug, jetzt fiel auch
    noch das schlimmste aller Übel, die Tollwut, im Süden seines Imperiums ein.
    Der Süden!
    Die Südgrenze hatte er immer als seine sicherste angesehen, denn im tiefen Süden seiner riesigen Besitztü-
    mer gab es nur die ungesunden öden Sümpfe des Del-
    tas, das Land der Aussätzigen, elenden Fischer und
    geflohenen Angsthasen, von denen er niemals etwas zu fürchten hatte.
    Der Norden und der Westen waren immer umkämpfte
    Gebiete gewesen. Dort mußte er Tag für Tag mächtigen Feinden die Stirn bieten, die er besiegen, unterwerfen und später an die Kapitäne der Sklavenschiffe verkaufen konnte, aber vom Süden hatte er sich niemals etwas erwartet, weder Gutes noch Schlechtes.
    Und nun kam aus dem Süden der schlimmste Alp-
    traum aller Könige und aller Nationen: die Wut der
    Göttin Elegba, die offenbar beschlossen hatte, auf die Erde zu spucken, um ihre Geschöpfe zu vergiften. Diese würden dann unter jammern und so unerträglichen
    Schmerzen sterben, daß ihnen der Schaum aus dem
    Maul trat.
    »Was kann man tun, wenn die Götter einen verfluchen und vernichten wollen?« fragte er eines Nachts den
    weisen Marabut, der natürlich auf alles eine Antwort hatte. »Wie soll man gegen solche Feinde kämpfen?«
    Diesmal schüttelte der Alte aber lediglich wiederholt den Kopf, während er sich zerstreut den zerzausten
    grauen Bart zupfte.
    »Einen solchen Fluch gibt es nicht, und auch keine
    solchen Götter«, behauptete er überzeugt. »Und ein
    wahrer Moslem sollte solchen Märchen kein Gehör
    schenken. Du weißt sehr gut, daß es keinen Gott außer Allah gibt, und daher sind Elegba und ihre angebliche Spucke nur ein Aberglauben barbarischer Völker. Nicht sie schickt die Tollwut.«
    »Wer schickt sie mir dann?«
    »Du überschätzt dich, wenn du annimmst, daß man sie dir persönlich schickt. Die Tollwut ist eine Krankheit wie die Lepra, die Pocken oder die Pest, und deine
    Pflicht als König ist es, ihre Auswirkungen so gering wie möglich zu halten, indem du verhinderst, daß Panik um sich greift.« Der Marabut deutete mit dem Finger direkt auf die Brust seines Schülers, als er fortfuhr:
    »Hier und jetzt mußt du beweisen, daß du wirklich zu herrschen verstehst. Was du bis jetzt getan hast, Krieger loszuschicken, die Dörfer vernichten und Sklaven einfangen, das kann ein jeder.«
    Trotz all der weisen Worte wurde es immer klarer, daß weder Mulay-Ali noch der Marabut aus Ibadan und
    noch weniger der Schotte Ian MacLean auch nur den
    geringsten Schimmer hatten, was sie gegen eine Epi-
    demie unternehmen sollten, die unaufhaltsam auf seine Zitadelle zumarschierte. Ebensowenig wußten sie, wie man verhindern konnte, daß die schreckensbleichen
    Bewohner sich darum Sorgen machten, was passieren
    würde, wenn die Tollwut in die belebten Gassen, die überfüllten Plätze und die riesigen Lagerhäuser ein-dringen würde, in denen man Hunderte von Sklaven in Ketten eingepfercht hatte.
    Wer würde verhindern, daß der Nachbar seinen Nach-
    barn biß, der Passant den Wasserträger oder der Gefangene seinen Zellengenossen?
    Wer fühlte sich in der Lage, herauszufinden, welcher Hund, welche Katze, welches Schwein oder welcher
    Affe drauf und dran war, seinen Herrn anzufallen?
    Wer konnte wissen, wie viele der zahlreichen Männer, Frauen oder Kinder, die hier nach wilder Flucht ankamen, nicht bereits die schreckliche Krankheit in sich trugen?
    Als Vorsichtsmaßnahme ließ der Mulatte alle Haustie-re opfern, die sich innerhalb des Mauerbezirks befanden. Außerdem befahl er, die verzweifelten Leute

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