Piratin der Freiheit
Meter glitten Fregatte und Galeone voran,
immer weiter auf die Festung Mulay-Alis zu.
»Oder Lachen und Ruhm…!«
»Oder Lachen und Ruhm…!«
»Unseres großen Siegs…!«
»Unseres großen Siegs…!«
Miguel Heredia betrachtete, an das riesige, jetzt fixierte Steuerruder gelehnt, das verschlafene Gesicht seiner Tochter, die aus der Kajüte kam und laut gähnte, während sie in den grauen Morgenhimmel sah, an dem
noch kein Sonnenstrahl zu sehen war.
»Die Männer sind offenbar zufrieden«, flüsterte er lä-
chelnd, als er sah, wie sich Celeste mit der Faust die Augen rieb, wie sie es schon als kleines Mädchen zu tun pflegte. »Sehr zufrieden.«
»Das verstehe ich nicht, wo sie so früh aufstehen muß-
ten«, erwiderte das Mädchen und gähnte erneut. »Wer in aller Herrgottsfrühe rudern muß, springt normaler-weise nicht gerade vor Freude in die Luft.«
»In der Morgenkühle rudert es sich besser als unter der brennenden Sonne«, lautete die Antwort. »Hauptsa-che, sie vertrauen ihrem Kommandeur.«
»Gilt das auch für dich?« wollte seine Tochter wissen.
»Mal abgesehen von dem Wahnsinn, einer ganzen Ar-
mee mit lediglich zwei Schiffen und zwei halben Besatzungen gegenüberzutreten, kann ich mich nicht beklagen«, gab der Alte zu. »Diese Frauen zeigen viel Mut, und der Priester ist sehr schlau. Auch wenn sich dir der Magen umdreht, die Idee mit der Epidemie schafft uns freie Bahn.« Er wies auf das ferne Ufer, das sich mit der aufgehenden Sonne immer klarer abzeichnete.
»Keine Menschenseele ist zu sehen, und je später man Mulay-Ali von unserer Ankunft in Kenntnis setzt, um so weniger Zeit bleibt ihm zur Vorbereitung.« Er
schnalzte zufrieden mit der Zunge. »Bei Gott! Ich wür-de gern sein Gesicht sehen, wenn er entdeckt, daß wir ihm in den Rücken fallen.«
»Vergiß nicht, daß er offenbar auf fast dreitausend Männer zählen kann«, bemerkte seine Tochter. »Und
allmählich zweifle ich daran, ob wir genug Munition haben, um sie alle zu töten.«
»In keiner Schlacht bringt man >alle< Feinde um«, erwiderte Miguel Heredia und lächelte erneut. »Wir
müssen nur so viele töten, daß der Rest eine gute Aus-rede hat, die Flucht zu ergreifen. Soweit ich weiß, be-stehen die >Heere< dieses Schweins aus Söldnern und Sklaven, die nur die Wahl hatten, sich rekrutieren zu lassen oder verkauft zu werden.« Er drehte sich um, nahm die Hände seiner Tochter und drückte sie fest, bevor er mit tiefer Zuneigung hinzufügte: »Du weißt sehr gut, daß ich anfänglich Zweifel daran hatte, ob dieses Abenteuer gelingen würde und ob es Sinn machte, in See zu stechen, um gegen den Sklavenhandel zu kämpfen.« Er machte eine komische krause Nase. »Im
Grunde habe ich immer noch gewisse Vorbehalte, aber bei dieser konkreten Aktion, das muß ich zugeben, sind wir auf dem richtigen Weg: Der König vom Niger hat
tönerne Füße, so tönern wie die Mauern seiner Fe-
stung.«
»Dein Wort in Gottes Ohr!«
»Er muß mich einfach erhören«, lautete die humorvol-le Antwort. »Schon seit allzu vielen Jahren bete ich zu ihm, ohne daß ihn das je gekümmert hätte, daher denke ich, jetzt ist der Augenblick gekommen, wo sich das ändert. Wenn er uns den Sieg schenkt, dann weil er
dagegen ist, daß ein Teil seiner Geschöpfe den anderen nur deshalb versklavt, weil er den Menschen unterschiedliche Hautfarben gegeben hat.« Er grollte ein wenig. »Aber wenn er zuläßt, daß man uns besiegt,
dann akzeptiert er, daß er im Grunde seiner Seele ebenfalls ein Rassist ist.«
Seine Tochter sah ihn sichtlich ironisch von der Seite an.
»Na so was!« rief sie aus. »Wann ist es dir eingefallen, daß Gott ein Rassist sein könnte?«
»Seitdem ich diesen Kontinent betreten habe, oder
besser, seit dem Tag, an dem wir die Maria Bernarda aufgebracht haben. Es gibt nichts, keinen verborgenen Grund oder keinen höheren göttlichen Plan, der die
Tatsache rechtfertigt, daß man ein menschliches Wesen so viel leiden läßt. Aber ich bin davon überzeugt, wenn Gott wirklich existiert, dann ist ihm klargeworden, daß die Stunde gekommen ist, die Dinge zu ändern, und er uns helfen wird, diese Schweine zu vernichten.«
»Deine Zuversicht überrascht mich, mehr aber noch,
wie du Gott siehst«, lautete die Antwort. »Ich persönlich glaube nicht, daß er die leiseste Vorstellung davon hat, was hier unten geschieht.«
»Wenn das so ist, warum verschwenden wir dann so-
viel Zeit mit ihm?« wollte der Alte wissen.
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