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Piratin der Freiheit

Piratin der Freiheit

Titel: Piratin der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa , Freiheit_1_.doc
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symbolisierte.
    Wegen seiner Macht und seiner Weisheit war er so ge-fürchtet, daß nicht einmal der König vom Niger höchstpersönlich es gewagt hätte, auch nur einen Finger gegen ihn zu erheben, obwohl ihn der Marabut ständig
    dazu drängte. Er sah in ihm nämlich einen gefährlichen, zu einflußreichen Ungläubigen. Als der Weise des Feuers erfuhr, daß Mulay-Ali seine Dienste in Anspruch nehmen wollte, stellte er einige sehr harte Bedingungen, unter denen er eine Begegnung akzeptieren würde.
    »Er muß am Abend kommen, allein, nackt, und ein
    weißes Ferkel als Geschenk mitbringen. Vielleicht vergessen die Götter seiner Ahnen dann seinen Verrat und lassen sich dazu herab, ihn anzuhören.«
    Für einen stolzen Monarchen, Diener Allahs und Gei-
    ßel der Ungläubigen, waren die Bedingungen kaum
    annehmbar, aber da ferne und verwirrende Trommeln
    die Nacht zuvor angekündigt hatten, daß außer der Pest aus dem Süden eine neue Gefahr in Form von zwei riesigen kanonengespickten Schiffen heraufzog, beschloß Jean-Claude Barriere, daß jetzt nicht der Augenblick war, sich mit protokollarischen Fragen aufzuhalten. So entschied er sich, den weiten Fluß allein zu überqueren, sein Kanu in einer halben Meile Entfernung ans Ufer zu ziehen und zu Fuß, nackt und mit einem weißen Ferkel auf den Schultern, zum mysteriösen Palast mit den roten Wänden zu gehen.
    Sakhau Ndu empfing ihn in einem großen kreisförmi-
    gen Raum, der nur von der Glut eines riesigen Scheiterhaufens erleuchtet wurde. Dessen Rauch zog durch
    einen engen Kamin ab, der die Mitte der Kuppel ein-
    nahm. Außer einem winzigen Dachfenster gab es keine weitere Belüftung. Durch dieses drang ein Strahl
    Abendsonne ein, das die obere Partie des Gemachs wie eine leuchtende kupferfarbene Linie durchquerte.
    Als ein schweigender Diener die schwere Pforte hinter ihm schloß, blieb der Mulatte reglos stehen und versuchte sich an das Dämmerlicht zu gewöhnen, bis er
    den Mann erkennen konnte, der auf einem eleganten
    purpurroten Thron saß. Er kam ihm sehr groß vor, fast wie ein Riese, schlank, sehnig und seiner Ansicht zu jung für einen Menschen, der einen solchen großen
    Ruhm als Weiser genoß.
    »Nimm drei Holzscheite…«, war das erste, was der
    Schamane mit tiefer bedächtiger Stimme sagte. »Leg
    sie auf das Feuer, so wie du willst. Aber wähle gut aus, denn mit ihrem Rauch schickst du deine Bitten an die Götter, und von ihm hängt ab, ob sie dich anhören oder nicht.«
    Mulay-Ali gehorchte, wählte sorgsam drei kleine
    Scheite unter den vielen aus, die an der Wand aufge-schichtet waren, und legte sie als Dreieck auf die Glut des großen Scheiterhaufens.
    Er sah zu, wie sie zu brennen begannen, nahm auf einer Bank gegenüber dem Hausherrn Platz und wartete
    geduldig ab. Der Weise des Feuers beobachtete, welche Form die Scheite annahmen und welche Figuren die
    Rauchschwaden bildeten, während sie mit dem Son-
    nenstrahl spielten, der über seinem Kopf den Raum
    kreuzte.
    Fast eine halbe Stunde verging.
    Die Scheite zerfielen in glühende Asche, und erst jetzt ließ sich Sakhau Ndu herab, seine tiefen und beunruhi-genden Augen mit äußerst geweiteten Pupillen auf den erwartungsvollen und beeindruckten König vom Niger
    zu richten.
    »Ich sehe, du hast Elegba gefragt, warum sie dir ihre giftige Spucke schickt«, murmelte er schließlich. »Und die übrigen Götter, warum sie sich gegen dich wenden.« Er machte eine kurze Pause, bevor er anklagend hinzufügte: »Was hast du anderes erwartet, wo du dem Glauben deiner Mutter abgeschworen hast, um aus reiner Berechnung Mohammedaner zu werden? Was hast
    du erwartet, wo du heute der Schrecken deines Volks bist, und das so sehr, daß die Kinder als erstes lernen, den Namen dessen zu verfluchen, der ihnen die Brüder raubt und die Schwestern schändet?«
    »Ich weiß sehr gut, was ich getan habe«, versetzte
    Mulay-Ali mißmutig. »Aber das ist Vergangenheit. Ich will von der Zukunft hören. Was wird aus der Tollwut, die mein Reich bedroht?«
    »Dein Reich wird nicht von der Tollwut im Mund der
    Menschen bedroht, sondern vom Zorn in ihren Her-
    zen.«
    »Soll das heißen, daß die Epidemie ein Ende finden
    wird?«
    »Keineswegs.«
    »Was heißt es dann?«
    »Nur das, was beginnt, hört auf.«
    Einige Augenblicke lang verharrte Mulay-Ali in
    Schweigen und versuchte, den Sinn dieser Worte zu
    ergründen, dann fragte er erneut:
    »Und was wird aus meinem Reich?«
    »Es wird enden wie alles, das

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