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Piratin der Freiheit

Piratin der Freiheit

Titel: Piratin der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa , Freiheit_1_.doc
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aus dem Süden, die mit den schrecklichen Geschichten über tollwütige Bestien ankamen, auf keinen Fall die Tore der Festung passieren zu lassen. Gleichzeitig forderte eine ausgesuchte Gruppe von Kriegern die Flüchtlinge auf, am Ufer eines Flusses zu kampieren, in den man sie dann mit Gewalt trieb.
    Nach Mulay-Ali war jeder, der sich weigerte, eine
    lange Weile unter Wasser zu bleiben, ein Mensch, der die Tollwut haben konnte. Da ersparte man den anderen Probleme und sich selbst Leiden, wenn man dem was-serscheuen Kerl die Kehle durchschnitt und die Leiche so weit wie möglich von der Strömung forttragen ließ.
    Seltsamerweise führte der allgemeine Terror zu einer solchen Massenhysterie, daß manch einer sich hartnäk-kig sträubte, in die Nähe des Flusses zu kommen, vielleicht, weil er sich vor der Entdeckung fürchtete, Angst vor dem Wasser und damit die Tollwut zu haben.
    Immer wenn ein Erleuchteter das Ende der Welt an-
    kündigt, nehmen sich manche Leute das Leben, weil sie die Angst vor der Apokalypse nicht mehr ertragen können. In jenen Tagen wählte eine Handvoll armer Kerle, die Panik und Aberglauben völlig verwirrt hatten, den leichten Weg einer schnellen Hinrichtung, anstatt sich von der giftigen Spucke einer rachsüchtigen Göttin infiziert zu sehen.
    Für die meisten Anhänger der afrikanischen Naturre-
    ligionen bestimmte die Art des Todes das Leben im
    Jenseits. Aus diesem Grund bemühten sie sich, ihren letzten Atemzug so friedlich wie nur möglich zu tun, und umgaben sich mit den Geschöpfen und Dingen, die sie am meisten liebten. Das war gewissermaßen das
    Vorspiel zu einer glücklichen Ewigkeit in Gesellschaft dieser Geschöpfe und Dinge.
    Die Kehle durchgeschnitten zu bekommen, während
    man die Augen auf das schöne Land richtete, in dem
    man geboren und aufgewachsen war, das war ihrer
    Sichtweise nach ein wesentlich verheißungsvolleres
    Ende, als diese Welt zu verlassen, während man
    Schaum spuckte, sich vor Schmerzen krümmte, jedes
    Lebewesen biß und dabei die Götter auf ewig verfluch-te.
    Jede einzelne dieser »Hinrichtungen«, so rar sie auch waren, steigerte die Unruhe derer, die am Ufer des
    Flusses oder im Inneren der Zitadelle ihr Leben friste-ten. Bald war jedes Viertel, jedes Haus, jede Familie, ja jedes einzelne Individuum nur noch damit beschäftigt, das eigene Revier zu verteidigen und um jeden Preis zu verhindern, daß sich ihm irgend jemand näherte, ob
    Mensch oder Tier.
    »Ich möchte den Weisen des Feuers sehen«, verlangte Mulay-Ali.
    »Den Weisen des Feuers?« fragte Alain Barriere. Er
    gehörte zu den lästigen Zeitgenossen, die die absurde.
    Angewohnheit hatten, alles zu wiederholen, als wären sie niemals sicher, auch nur das Elementarste verstanden zu haben. »Warum?«
    »Ich brauche Rat.«
    »Rat? Rat von einem schmutzigen Bamileke, wo dir
    die besten Ratgeber zur Verfügung stehen, die je ein König gehabt hat?«
    Der Mulatte hob die Hand und bat sich unmißver-
    ständlich Ruhe aus.
    »Weder der Marabut noch MacLean oder ein einziger
    meiner Diener hat mir irgend etwas Nützliches gesagt.«
    Er zeigte mit dem Finger auf ihn. »Bereite ein Treffen mit Sakhau Ndu vor, bevor es zu spät ist.«
    »Zu spät?« wiederholte ein weiteres Mal sein Stief-
    bruder. »Zu spät wofür? Ist dir klar, was die Fulbe sagen werden, wenn sie entdecken, daß du in einem Au-
    genblick wie diesem auf einen schmutzigen Zauberer
    zurückgreifst?«
    »Auf wen sonst?« fauchte ihn Mulay-Ali an. »Weder
    Jesus Christus noch Buddha oder Mohammed haben
    auf die Erde gespuckt. Elegba war es, und aus diesem Grund kann nur ein Schamane wissen, wie man ihren
    Zorn besänftigt.« Er verabschiedete sich mit einer her-rischen Geste. »Tu, was ich dir gesagt habe, und fackel nicht lange.«
    Sakhau Ndu, der im Umkreis von Hunderten, wenn
    nicht Tausenden von Meilen geachtetste Weise des
    Feuers, lebte in einem beängstigenden Palast aus
    Lehmziegeln, in deren Mörtel Schweineblut gemischt
    war, damit kein fanatischer Mohammedaner die
    Schwelle seiner Tür überqueren konnte, ohne sich dabei unwohl zu fühlen. Seine ganze Welt war, bis hin zum kleinsten Detail, in Rot getaucht: die symbolische Farbe des Feuers und der Reinigung. Alles, die rätselhaften Bilder an der großen Außenmauer, die Federn seines
    Kopfschmucks oder sein riesiger Zeremonienumhang,
    zeigte diese aggressive Farbe, die – ihm zufolge – seine unzerstörbare Verbindung mit allen guten und bösen
    Geistern

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