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Piss off! Ein Engel zum Fürchten (German Edition)

Piss off! Ein Engel zum Fürchten (German Edition)

Titel: Piss off! Ein Engel zum Fürchten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laabs Kowalski
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Frau kam näher und lächelte, es war noch sehr früh am Morgen, und obwohl die Sonne schon stark war, glitzerte auf dem Gras noch der Tau. Paul stierte auf die hellhäutige Erscheinung, die ihn anlächelte, und dieses Lächeln machte ihm Angst. Als sie bei Paul war, berührte sie sanft sein Gesicht und fragte mit weicher Stimme: „Wer bist Du?”, und er antwortete: „Ich bin Paul.” Aber die Frau lächelte weiter, fuhr ihm über das kurzgeschnittene Haar und fragte: „Wer bist du, Paul?”
    Er blickte sie an, verwirrt, und schwieg.
    „Willst du mir denn nicht antworten, Paul?”, fragte ihn die Frau erneut. „Wer bist du?”
    Sie lächelte ein weiteres Mal und wandte sich zum Gehen. Ganz langsam schritt sie den Hügel hinauf, drehte sich noch einmal zu ihm um und rief mit leiser Stimme: „Du wirst mir antworten müssen. Auf Wiedersehen, Paul!”
     
    ****
     
    „Auf Wiedersehen!”, rief ich und wollte ihr winken. Aber mein rechter Arm gehorchte mir nicht, er war schwer und steif. Ich hatte das Gefühl, er gehörte nicht mir, sondern irgendwem anders. Dass er jetzt an meinem Körper saß, war ein schwerwiegendes Versehen. Ich versuchte, die Augen zu öffnen. Das Ergebnis war, dass ein schmerzhafter Blitz meinen Schädel durchjagte. Als es mir endlich gelang, erblickte ich ein kleines Bild an der Wand, Maria mit dem Kinde. Die Wand war blassgelb gestrichen. Rechts neben der Tür klammerte sich ein niedriges Waschbecken in die Ecke. Ich begriff, dass ich in einem Krankenhaus war. Erinnerungen an meinen Traum kehrten zurück. Im Schlaf hatte mich, wie in den Tagen meiner Kindheit, die hellhäutige Frau aufgesucht. Schon lange war sie mir nicht mehr erschienen. Obwohl mein Bild von ihr schwach war, hatte ich deutlich ihre Stimme im Ohr – deutlicher jedenfalls als die zurückliegenden Ereignisse, die in einem kreischenden Kaleidoskop aus Farben verschwammen. Skinheads aus Bochum hatten Zack und mich durch die Mangel gedreht – Typen mit deformierten Instinkten, die auf das komplizierte Vehikel verbaler Sprache verzichteten, um sich stattdessen eines universellen Dialektes aus Blut und Gewalt zu bedienen. Urzeitliche Kretins, die echten Spaß daran hatten, anderen ohne Grund das Gesicht zu Brei zu zerschlagen. Ich drehte den Kopf langsam nach links. Das Bett neben meinem war leer. Von Zack weit und breit keine Spur.
    Ich musste eingeschlafen sein. Als ich wieder aufblickte, ragte das weiche Gesicht einer Krankenschwester über mir auf.
    „Guten Morgen!”, sagte sie. „Wie fühlen Sie sich?”
    Ich deutete ein vages Zeichen mit der Handfläche an.
    „ Ich bin Schwester Uta”, lächelte sie. „ Sie haben lange geschlafen. Ich werde jetzt das Fieber bei Ihnen messen.”
    Sie schob ein Thermometer in meinen Mund und sah auf die Uhr.
    „ Sie sahen schlimm aus. Wir dachten schon, es wäre was Ernstes. Aber Sie haben Glück gehabt. Dr. Zanabi hat Ihre Nase wieder hingekriegt. Wenn der Verband erstmal ab ist, ist sie schöner als vorher. ”
    Sie nahm mir das Thermometer aus dem Mund und warf einen schnellen Blick auf die Skala. Ich richtete mich auf die Ellbogen auf und schaute sie an.
    „Sie bleiben besser noch liegen”, beantwortete sie meinen Drang nach Bewegung. „ Sie haben eine Stichwunde am Bauch. Sie ist zwar nicht tief, aber Sie müssen vorsichtig sein.”
    „Wo ist Zack?”, fragte ich.
    „ Wer?”
    „Tobias Erdmann. Er muss zusammen mit mir eingeliefert worden sein.”  
    Das Sprechen schmerzte. Meine Kehle war ausgedorrt, und ich machte der Schwester ein Zeichen. Sie ging zum Waschbecken, um ein Glas mit Wasser zu füllen. Während sie das Glas volölaufen ließ, sagte sie: „Ihr Freund liegt auf der Intensiv. Er hatte nicht so viel Glück.”
    Ein Kind, das weder Arme noch Beine besitzt, kann man noch so nett anziehen, es bleibt ein Kind ohne Arme und Beine. Sie hatten mir gesagt, Zack ginge es den Umständen entsprechend gut, aber ein Blick genügte, um die Wahrheit zu erkennen. Er lag im Koma, Schläuche ragten ihm aus Nase und Mund, andere aus den Armen. Sie hatten ihn noch in derselben Nacht in den OP-Raum gebracht. Aufgrund der Schläge und der Operation war sein Kopf fast auf die doppelte Größe geschwollen. Es ging ihm dreckig, und dass man mich hatte beschwichtigen wollen, machte mich wütend. Was ich sah, hatte genauso viel Ähnlichkeit mit Zack wie ein Säugling Ähnlichkeit mit einer Nachgeburt hat, sie aber wollten mir weismachen, es ginge ihm den Umständen entsprechend gut.

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