Piss off! Ein Engel zum Fürchten (German Edition)
Frau umgebracht haben soll. Das ist alles.”
Der Abend schritt fort, nach und nach kamen einige Gäste.
„Sorry, aber ich glaub’, ich muss jetzt mal ein wenig arbeiten gehen”, entschuldigte sich Lutz und verließ meinen Tisch. Die Musik-Cassette machte sich bereit, in die dritte Runde zu gehen, ich setzte an zu meinem elften oder zwölften Glas Bier. Noch ziemlich weit entfernt und kaum zu erkennen, wedelte die Trunkenheit mit einer schwarzweißen Flagge, undch legte mich ins Zeug, um ihr ein Stück weit entgegenzugehen. Das Gefühl der Einsamkeit nahm zunehmend ab. Der Weltraum-Cowboy ging, und mit ihm gingen auch all die bösen Erinnerungen auf die Straße hinaus. Land in Sicht.
Spät nach Mitternacht torkelte ich vergnügt nach Hause, um mich rechtzeitig schlafen zu legen. Für den Nachmittag stand ein weiteres Vorstellungsgespräch auf meinem Programm.
In der Wohnung stellte ich fest, dass ich das Licht in der Küche nicht ausgeknipst hatte. Ich nahm die Milch aus dem Kühlschrank, trank einen Schluck und hatte vor, mich noch für zehn Minuten vor die Glotze zu setzen. Als ich auf dem Küchentisch die Axt liegen sah. Sie steckte in einem schwarzen Lederfutteral und funkelte böse. Den Milchkarton in der Hand, stand ich da und grübelte, was dieser Fund bedeutete. Monty? Ich verharrte und lauschte in die Stille hinein. Nach einer Weile hörte ich leise Geräusche, das Knarren eines Bettes, Tritte auf dem Boden. Ich stellte die Milch zurück in den Kühlschank und ging in den Flur. Vor der Tür, hinter der Montys Teil der Wohnung lag, hielt ich inne. Sollte ich klopfen, um meinen Mitbewohner zu begrüßen? Es war spät, vielleicht störte ich ihn. Ich kam zu dem Entschluss, dass es besser sei, die Zeremonie zu verschieben. Ich wollte nicht gleich bei unserer ersten Begegnung unhöflich sein.
Vor dem Fernseher zündete ich mir eine Zigarette an. Ein alter James-Cagney-Film flimmerte über den Schirm und warf flatternde Schatten auf Decke und Wände. James Cagney spielte einen zum Tode verurteilten Verbrecher auf seinem Weg zum elektrischen Stuhl. Er wurde von seinem Jugendfreund, einem Priester namens Pat O’Brien, begleitet, der Cagney beschwor, auf dem elektrischen Stuhl feige um sein Leben zu betteln, damit die bei der Exekution anwesenden Reporter davon in den Zeitungen schrieben und ein paar kleine Jungs aus der Pfarre des Priesters, die Bowery Boys, die den bösen Verbrecher Cagney zu ihrem Idol erhoben hatten, ihm und der Verbrecherlaufbahn abschwören würden. Cagney, der böse Junge, auf dem Weg zu einer christlichen Tat! Aber noch lagen die zwei Männer im Streit, denn Cagney würde gleich sein Leben verlieren, und alles, was ihm noch blieb, war die Aussicht auf den Ruhm, bis zuletzt ein schwerer, nicht zu bändigender Bursche gewesen zu sein. Er konnte nicht verstehen, wieso sein Priesterfreund das Unmögliche, die Verleugnung seiner Ehre, von ihm verlangte. Es war das Härteste, was man im Namen der Freundschaft von ihm einfordern konnte, und Cagney, der Schwerverbrecher, stand, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, im Kampf mit seinem Gewissen! Er, das Großmaul, der Unbeugsame, der im Angesicht des Todes um sein bisschen Leben jammert, damit die Welt ihn nicht als Helden, sondern als ausgemachtes Weichei in Erinnerung behält – eine unglaubliche Vorstellung. Ein Mann erschien, er wirkte riesig, blaue Schatten krochen wie bewegliche Narben über sein brutales Gesicht.
„Gleich ist es soweit, gleich kippt er um!”, sagte er mit tiefer, dröhnender Stimme, und ich pisste mir beinahe in die Hose vor Angst.
Vor mir, im Türrahmen, stand der flippernde Cowboy, die Axt in der Hand. Sein Oberkörper war nackt und von einer monströsen tätowierten Krake entstellt. Mein Herz raste, und meine Augen weiteten sich. Wie war er in die Wohnung gekommen? Warum sollte ich sterben? Weshalb hatte ich nichts aus meinem kleinen, unzulänglichen Leben gemacht?
„Hi, ich bin Monty”, sagte der Cowboy. „Ich hoffe, die Axt in der Küche hat dich nicht erschreckt, als du kamst.”
****
Ich war schwer verkatert, als ich gegen Mittag erwachte. Noch immer steckte mir der Schrecken der vergangenen Nacht in den Gliedern. Ich wohnte mit einem haarlosen, tätowierten Burschen zusammen, der weiße Cowboy-Stiefel und rote Cord-Hosen trug, eine Axt als Talismann hatte und – wie ich inzwischen wusste – nahezu jeden James-Cagney-Film auf Video besaß. Außerdem war er Lutz’ Worten zufolge im
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