Piss off! Ein Engel zum Fürchten (German Edition)
Gefängnis gewesen, weil er seine Frau umgebracht hatte. Was wollte ich mehr? Ich teilte mir eine Wohnung mit Monty der Axt!
In der Küche stand heißer Kaffee, aber das Leben und insbesondere Poof hatten mich gelehrt, mißtrauisch und wachsam zu sein. Ich goss den Kaffee in den Ausguss und machte mir meinen eigenen. Während die Kaffeemaschine lief, konnte ich mir überlegen, wie ich mit der Situation, in der ich mich befand, am besten umgehen sollte. Ausgerechnet ich lebte nun also mit einem Mörder unter einem Dach, und mir war, als hätte mir ein Arzt eröffnet, ich sei unheilbar krank und mein Tod vorhersehbar und nur noch eine Frage der Zeit. Wenn ich das verhindern wollte, musste ich mehr über Monty erfahren. Er schien nicht zu Hause zu sein, folglich war die Gelegenheit günstig, einen schnellen Blick in die andere Hälfte der Wohnung zu werfen. Hier ging es vielleicht um mein Leben, ich konnte auf so hehre Begriffe wie Privatssphäre keine Rücksicht mehr nehmen. Peevee, der Schnüffler, war dran.
Aus Sicherheitsgründen klopfte ich zunächst laut an die Tür. Niemand antwortete. Ich drückte die Klinke hinab, öffnete spaltbreit die Tür und spähte hinein. Alles war ruhig. Ich ging zur Wohnungstür, sperrte sie von innen ab und ließ den Schlüssel im Schloss, damit ich nicht überrascht werden konnte. Ich schluckte und überlegte, was ich in Montys Zimmer eigentlich herausfinden wollte. Ich erwartete keine im Wandschrank verwesenden Leichen, darüber war ich mir klar. Was mich antrieb, seine Zimmer einer gründlichen Inspektion zu unterziehen, war vielmehr der Wunsch, mich mit meinen eigenen Augen davon zu überzeugen, dass lediglich die Phantasie mit mir durchging. Ich wollte den Beweis, dass es keinen Grund gab, beunruhigt zu sein. Anders gesagt, es war die nackte Angst, die mich trieb. Ich hatte wenig Lust, eines Morgens mit einer Axt in der Stirn zu erwachen.
Das erste Zimmer war vollgestopft mit allerlei Kram. Es gab eine Vitrine, in der säuberlich Elastolin-Figuren aufgereiht waren. Ich sah kleine Ritterfiguren, Germanen und Römer, Indianer und Cowboys. Längs der Fensterseite, die auf den Hof hinauswies, stapelten sich Zeitschriften und Magazine, auch sie ordentlich nach Titeln und Jahrgängen sortiert. Ein alter Ohrensessel füllte die Mitte des Raums und zeigte zum Fernseher, auf dem akribisch übereinander gelegt und millimetergenau ausgerichtet einige Videos lagen. Ich erkannte ›Wild at heart‹ mit Nicolas Cage und Laura Dern, ›Walt Disney’s Dschungelbuch‹ und ›Moby Dick‹ mit Gregory Peck. Obenauf lag ein Video, das mich neugierig machte. Es war das einzige, das nicht in seine Hülle zurückgesteckt worden war. Ich sah mich um, aber die Hülle war nirgends zu sehen. Die Kassette selbst wies keinerlei Beschriftung auf, was höchst auffällig war angesichts der pedantischen Ordnung, die überall herrschte. Ich überprüfte, ob die übrigen Kassetten beschriftet waren (sie waren), und wurde in meinem Verdacht bestätigt, dass etwas an diesem einen Video nicht stimmte. Ich wägte das Risiko ab und entschied, mir das Band in meinem Zimmer anzusehen. Zunächst jedoch machte ich planmäßig weiter mit meiner Aktion, stieß aber auf nichts, was beängstigend war. Monty verfügte über ein gutsortiertes Bücher- und Videoregal und ein gemütlich eingerichtetes Zimmer. Aber was war mit dem anderen Raum, dem Schlafzimmer? Meine Neugierde war stärker als die Bedenken, die die Vernunft mir injizierte. Ich ging zur Tür und öffnete sie. Keine Lederpeitschen an der Wand, keine Handschellen am Bett, nichts, was meinen Argwohn erweckte, außer dass auch hier schon eine geradezu übertriebene Ordnung und Sauberkeit herrschte. An der Wand gegenüber stand eine zweite Vitrine voller liebevoll aufgereihter Figuren. Auf dem Nachttisch lag, zugeschlagen und mit einem Lesezeichen versehen, eine Biographie über Bogart. Ich verzichtete darauf, in den großen Schlafzimmerschrank zu sehen – möglicherweise, weil mir aus verschiendenen Gründen der Mut dazu fehlte – und schloss leise die Tür.
Ich lief hinüber zu mir und legte das Band ein. Ich setzte mich und drückte auf der Fernbedienung auf Start. Ein Bild erschien, Montys Gesicht in Großaufnahme. Er saß einfach nur da und blickte mich an. Dann sagte er plötzlich: „Bitte, Peevee, tu das nie wieder, wenn ich nicht da bin.”
Die Fernbedienung entglitt meiner Hand, und ich stierte sein Konterfei im Fernseher an, das so real schien,
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