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Pitch Black

Pitch Black

Titel: Pitch Black Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Crandall
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er beim Gottesdienst verschwunden und hinterher sehr einsilbig gewesen war, hatte sie der ganzen Sache heute Abend auf den Grund gehen wollen. Sie musste nur den richtigen Moment abwarten und die richtige Angriffsfläche finden.
    Sie betrat das Wohnzimmer, entschlossen, ihn nur ein wenig wegen seiner Pflichtvergessenheit aufzuziehen und sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Heute Abend musste sie sorgfältig abwägen, worum es sich zu kämpfen lohnte.
    Aber Ethan war nicht im Wohnzimmer. Auch hier brannte kein Licht.
    Sie knipste eine Lampe an. »Ethan?« Sie ging die Treppe hinauf.
    Im Obergeschoss gab es vier Dachfenster, eins für jedes der drei Schlafzimmer und eins für das Bad. Alle Türen gingen von einem kleinen Flur am Treppenabsatz ab. Madison ließ die ganze Zeit ein Nachtlicht im Flur brennen, weil sie Angst hatte, nachts auf dem Weg zum Badezimmer danebenzutreten und die Stufen hinunterzufallen.
    Ethans Tür war verschlossen. Auf Augenhöhe hing ein gelbes Post-it.
    M, bin zu krank, um was zu essen.
Bis morgen früh.
    Sie riss die Notiz ab und knüllte sie zusammen. War das ein Trick? Wusste er, dass ihm eine ernste Aussprache bevorstand?
    Sie klopfte leise an die Tür und drückte die Klinke herunter. Es war abgesperrt.
    »Ethan? Ist alles in Ordnung?«
    Durch die Tür kam gedämpft eine unverständliche Antwort.
    »Ethan?«
    Sie hörte, wie er die Füße auf den Boden stellte und sich dann Richtung Tür in Bewegung setzte. Der Schlüssel wurde gedreht, und die Tür einen Spaltbreit geöffnet. »Komm lieber nicht zu nah. Ich könnte dich anstecken.«
    Sie schob die Tür ein bisschen weiter auf. »Was fehlt dir?«
    »Ich habe heute Nachmittag zweimal gekotzt.« Er trug ein T-Shirt und Boxershorts. Die Haare vorne an seinem Kopf standen in die Höhe. »Ich war gerade eingeschlafen, als du geklopft hast.«
    »Oh.« Sie streckte die Hand nach ihm aus, aber er wich vor ihr zurück.
    »Wirklich«, sagte er. »Du musst das nicht auch noch kriegen.«
    »Kann ich irgendwas für dich tun?«
    »Ich will nur schlafen.«
    »Na gut. Ruf mich, wenn du was brauchst.«
    Er schloss die Tür, dann hörte sie, wie der Schlüssel umgedreht wurde und er zum Bett zurückschlurfte.
    Beinahe hätte sie ihn aufgefordert, die Tür aufzuschließen, für den Fall, dass er Hilfe brauchte. Aber sie hatte immer versucht, ihm den nötigen Freiraum zu lassen. Und er war nie gern bemuttert worden, wenn er krank war. Sie ging wieder nach unten. Im Notfall würde sie die dünne Tür selbst mit einem Buttermesser aufbekommen.
    Um drei Uhr in der Früh gab Gabe es schließlich auf, schlafen zu wollen, und stand auf. Seit Mitternacht hatte er sich nur noch hin und her gewälzt. Durch seinen Kopf jagten Bilder von verängstigten Jungs und ihren blutüberströmten Betreuern. Und jedes Mal, wenn er diese Bilder endlich aus dem Kopf brachte, wurden sie von Kate McPhersons gequältem Gesichtsausdruck und den mitleiderregenden Schluchzern abgelöst.
    Er hasste unbeantwortete Fragen. Sie fuhren ihm unter die Haut und quälten ihn wie Splitter. Schlimmer noch, diese speziellen Fragen würden ihn weiterquälen bis Montag. Vorher hatte er keine Möglichkeit, den Antworten näher zu kommen.
    Die Frage, die sich ihm am lautesten stellte und seinen rastlosen Geist am meisten beschäftigte, war, ob Steve McPherson seinen Stiefsohn geschlagen hatte. Wenn er in Betracht zog, was Ethan erzählt hatte, dazu Kates vorsichtige Antworten über die Beziehung zwischen ihrem Mann und ihrem Sohn, Jordans derzeitiger Geisteszustand und die offensichtliche Tatsache, dass Steves Tod alle Merkmale eines sehr persönlich gemeinten Angriffs hatte, schien es durchaus möglich.
    Konnte dieser blasse, verängstigte Junge wirklich mit solcher Brutalität zugeschlagen haben? Gabe hatte schon von Gelegenheiten gehört, bei denen jemand über seine körperlichen Möglichkeiten hinausgewachsen war und einen Gewaltakt verübt hatte. Wut war etwas sehr Wildes und Kraftvolles.
    Er musste in der Rechtsmedizin nachfragen, ob sie anhand der Wunden die Größe des Angreifers eingrenzen konnten. Aber wie hoch war schon die Wahrscheinlichkeit, dass er zu hören bekäme: »Ja, der Täter war zweifellos höchstens einen Meter sechzig groß und wog nicht mehr als fünfzig Kilo«?
    Verdammt unwahrscheinlich. Wenn alles so einfach wäre wie im Fernsehen, wäre seine Arbeit im Handumdrehen erledigt.
    Da er bis Montag nichts unternehmen konnte, entwarf er einen detaillierten

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