Pitch Black
»Wirklich? Wie hast du denn das geschafft?«
»Sheriff Elliott hatte nach zwei Jahren im Amt einen Herzinfarkt und musste in Rente gehen. Mich hat man zu seinem Nachfolger bestimmt–und danach haben die Leute mich wohl gemocht.« Er lächelte sie an wie ein Schuljunge.
»Verstehe.«
Die Bedienung erschien, und Gabe bestellte ein Bier. »Möchtest du was essen?«, fragte er Madison.
Sie war völlig ausgehungert, weil sie das Mittagessen hatte ausfallen lassen, um an der Beerdigung teilzunehmen. Ethan war nach dem Gottesdienst so deprimiert gewesen, dass sie sich seiner erbarmt und ihn, statt ihn in die Schule zurückzufahren, zu Hause abgesetzt hatte, zusammen mit einem dreißig Zentimeter langen Sandwich.
»Ich esse nachher mit Ethan, aber eine Kleinigkeit, bevor ich nach Hause fahre, wäre nicht schlecht–als Grundlage für den Alkohol.«
»Nachos?«
Das hoffnungsvolle Glitzern in seinen Augen ließ sie zustimmen.
Zu der Bedienung sagte er: »Und dazu Jalapeños.«
»Aber bitte auf einem Extrateller«, fügte Madison hinzu.
Sobald die Bedienung gegangen war, hob Gab herausfordernd eine Augenbraue. »Ab jetzt kannst du dir freche Kommentare über meinen schlechten Kaffeegeschmack abschminken. Wer isst denn Nachos ohne Jalapeños?«
»Es ist nicht wegen der Schärfe. Aber wenn ich Jalapeños esse, trinke ich zu viel Bier. Und ich muss zu Hause noch arbeiten.«
Die nächsten Minuten vermieden sie sorgfältig all die schwierigen Themen, die zwischen ihnen standen, und redeten miteinander wie Fremde oder wie gute Freunde…indem sie über lauter Nichtigkeiten sprachen.
Gabe genoss es, so zu tun, als gäbe es keinen Grund für ihr Treffen–zumal sie ihm angekündigt hatte, der Grund würde ihm nicht gefallen.
Sobald das Essen auf dem Tisch stand, beschloss Gabe, lieber ein paar Fragen zu stellen, bevor sie mit den unangenehmen Informationen herausrückte, die sie für ihn bereithielt. »Erzähl mir ein bisschen über Ethan. Wie hat er so gelebt, bevor…«
»Bevor er zu mir kam?«
»Ja.«
»Er ist ein außerordentlich einfallsreicher und widerstandsfähiger Junge. Bevor ich ihn kennenlernte, hatte er sich über ein Jahr lang allein auf der Straße durchgeschlagen.«
»Wie alt war er da?«
»Als ich ihn kennengelernt habe?« Auf sein Nicken hin sagte sie: »Zwölf.«
»Wie ist er durch die Maschen der Sozialdienste geschlüpft?«
Sie lächelte. »Ich sagte doch, er ist einfallsreich. In seinem Viertel gab es viele Straßenkinder, und immer verschwanden welche und andere kamen dazu, sodass es ziemlich schwierig war festzustellen, wer denn nun ein Zuhause hatte und wer nicht.«
»Dann gab es also keine Probleme mit den Behörden?«
Schulterzuckend antwortete sie: »Eigentlich nicht. Wie ich schon sagte: Es war ein Problemviertel, in dem eine Menge los war.
»Und seine Eltern?«
Sie nahm sich einen Nachochip und knabberte an ihm herum. »Die gleiche Geschichte wie bei tausend anderen Kindern auch. Er wurde in eine harte Welt hineingeboren. Die Mutter ist an einer Überdosis gestorben, aber da lebte Ethan schon auf der Straße. Er meinte, das wäre einfacher gewesen, als jeden Tag nach Hause zu kommen und nicht zu wissen, was einen erwartete…Gewalt, Drogen, Männer…du weißt, wie das abläuft.«
»Und sein Vater?«
»Hat eigentlich nie eine Rolle gespielt.«
»War es schwierig, seine Zustimmung zur Adoption zu bekommen?«
Sie schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Das war kein Problem.« Sie wischte sich das Salz der Chips von den Händen. »Hör mal, die Sache, wegen der ich dich um ein Treffen gebeten habe…«
»Ach ja, die, die mir nicht gefallen wird.«
»Genau die«, antwortete sie und deutete mit dem Finger auf ihn. Dann senkte sie die Stimme und fuhr fort: »Ethan hat mir etwas erzählt, das du meiner Ansicht nach wissen solltest.«
Er setzte das Glas ab, aus dem er gerade hatte trinken wollen, und stützte die Unterarme auf den Tisch.
»Er hat erzählt, dass sich Jordan vor Steve gefürchtet hat, dass er zu Hause Angst hatte.«
»Und das heißt?«
Sie lehnte sich zurück. »Ich bin mir nicht sicher. Er hat dichtgemacht, bevor ich Genaueres aus ihm rausquetschen konnte. Aber er hat gesagt, dass Steve von Jordan immer Dinge verlangt hat, die er nicht tun wollte.«
Gabes Mund wurde schlagartig ganz trocken.
Sie sah, was er dachte. »Nein, nicht solche Dinge. Ethan meinte, Steve hätte Jordan zu Sport und Ähnlichem gezwungen. Er sagte, Jordan hätte immer fürchterliche Angst
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