Pitch (German Edition)
ihn den ganzen Tag
schon etwas zu grell hat erscheinen lassen, er muss es ihm bald
sagen, mit den anderen sind sie in der Autobahnraststätte Zur
schönen Buche verabredet, ein kurzes Resümee wollen sie
dort ziehen, von der Präsentation, wie es lief, was besser hätte
laufen müssen, nun also muss er sich sputen mit seiner Rede, bis
zur Raststätte sind es nur noch wenige Kilometer, er sagt, weißt
du, dass das ein Wagen mit Geschichte ist, Jo, mit Geschichten könnte
man schon fast sagen, Jo nickt nur, Ferdi fährt fort, als ich
ihn gekauft habe, war er nur noch ein Haufen Schrott, ein alter Kahn,
den ich wieder völlig neu auftakeln musste, was ich alles getan
habe, um die passenden Ersatzteile zu bekommen, du ertappst dich dann
dabei, dass du in deiner alten Strickjacke in irgendeinen piekfeinen
englischen Automobilclub schlenderst, in dem man normalerweise erst
nach Jahren auf der Warteliste mit viel Pomp und nur mit zwei Bürgen
aufgenommen wird, aber wenn du den richtigen Wagen hast, so einen wie
diesen hier, dann bist du schnell drin, dann zeigst du einigen
Herren, ein paar grauen Earls und Peers, im Salon am Kamin ein paar
Bilder, zeigst deinen Brief, der wird dann herumgereicht wie ein
Kapitänspatent und schon hast du deine Bürgen, plötzlich
trinkst du an der Bar einen dreißig Jahre alten Single Malt und
fragst einen englischen Lord, ob er dir eine Nockenwelle hat, einen
Fensterheber, einen Aschenbecher oder einen Topf für den
Auspuff, ich sag dir, für den Topf habe ich derart viel
hingeblättert, das man da mit Fug und Recht von einem goldenen
Topf sprechen kann, und das gilt für eine ganze Menge Teile, die
ich hier für dieses gute Stück zusammengeklaubt habe,
selbst die Polster habe ich neu beziehen lassen, bis auf den
Beifahrersitz, er schmunzelt, schau mal ins Handschuhfach, Jo macht
es auf und sieht dort eine alte, leicht vergilbte
Schwarzweißfotografie, nimm’s mal raus, schau’s mal
an, und Jo nimmt das Foto, es ist Warren Beatty, am Steuer, den
Ellenbogen im geöffneten Fenster, lachend, das Verdeck
zurückgeklappt, neben ihm, eher schon verdeckt, eine namenlose
Schönheit, ich hab’s nie geglaubt, sagt Jo, er lächelt,
aber es ist ein eher trauriges, wehmütiges Lächeln, Jo mag
oberflächlich sein, aber er ist nicht blöd, er weiß,
dass Gespräche über erfolgreiche Etatgewinne nicht so
eingeleitet werden, wenn du mal die Beine etwas auseinander nimmst,
sagt Ferdi, da, siehst du, fragt er, die helle Stelle da, da hat
Warrens ätzender Saft das Leder irreparabel gebleicht, Jo sagt
nichts, aber er denkt, ein Gesamtkunstwerk mit einem Spritzer Warren
Beatty, und er selbst, Jo Neuhäuser, sitzt auf dem
Schleudersitz, Ferdi schaut nach vorn, es ist keine Verbindung mehr
möglich über Männerzoten, du musst gehen, sagt Ferdi,
er sagt es ganz sanft, er muss sogar Tränen unterdrücken,
ich kann dich nicht halten, das weißt du, er hält inne,
das heute, ich weiß nicht, was da vorgefallen ist, ich weiß
nicht, warum du auf einmal ins Strudeln gekommen bist, aber selbst
wenn einem der Wind scharf ins Gesicht bläst, so etwas darf nie,
niemals, vor einem Kunden geschehen, wieder schweigt er, und dann die
Sache mit diesem Wisch, diesem Megascheiß, wasweißich,
dieses Briefing lag die ganze Zeit bei dir, du bist der CD, und dir
war klar, oder dir hätte klar sein müssen, wie wichtig
diese Mappe ist, also, ich weiß nicht, was aus dem Wisch
geworden ist, ich weiß nicht, ob du damit etwas gemacht hast,
oder ob du es herausgenommen hast, um es irgendwem zu geben, Jo
protestiert, das glaubst du nicht im Ernst, nichts habe ich damit
gemacht, gar nichts, nicht mal hineingeschaut habe ich in diese blöde
Mappe, das ist ihm so herausgerutscht, er beißt sich auf die
Unterlippe, schlimm genug, sagt Ferdi, schlimm genug, nun, wenn du
nicht weißt, was damit geschehen sein kann, dann wirst du uns
auch bei der Suche nach dem Blatt kaum von großem Nutzen sein
können, die Ausfahrt Zur schönen Buche kommt, Ferdi
biegt ab, fährt an der Tankstelle und einer kleinen
Verkehrsinsel vorbei und stoppt den Wagen in einer Parkbucht direkt
vor der Raststätte, du wirst natürlich freigestellt,
tatsächlich wäre ich dir sogar dankbar, wenn du nicht mehr
in die Firma kämst, alles, was du noch da hast, kann dir
irgendjemand nach Hause bringen, Privates, Belegexemplare, all das
Zeug, Iris ist bestimmt so nett, er schaut Jo noch einmal prüfend
an, ist das OK für dich, er weiß, dass Jo keine Wahl hat,
Jo nickt,
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