Pitch (German Edition)
nicht einmal die Produktentwickler ernsthaft
bestritten hatten, dass es im Grunde nach Bullenscheiße röche,
dieses sogar mit einem gewissen Stolz vorgebrachte Eingeständnis,
hatte die mit der Promotion beauftragte Werbeagentur dazu verleitet,
einen Produktnamen zu entwickeln, der gewissermaßen in der Luft
lag, Vibos Moschato , eine Kampagne hatten die Kreativen
entworfen, die diesen Duft dort in Szene setzen sollte, wo es zwar
weit und breit keine Moschusochsen gab, dafür aber das weltweit
beste Licht, in Südafrika, vermutlich deshalb, weil jeder Werber
einfach davon träumt, einmal zu einem Shooting nach Südafrika
zu fahren, die Agentur war Magellan’s Ads gewesen und der das
Shooting begleitende Grafiker Jo Neuhäuser, auf den geht sie nun
zu, da sie ein anderer Auftrag ins Nirgendwo dieser
Autobahnraststätte verschlagen hat, unsicheren Schritts nähert
sie sich langsam seinem Tisch, er jedoch scheint sie nicht
wahrzunehmen, peinlich bemüht ist er, nicht in ihre Richtung zu
schauen, sie merkt es, aber es hält sie nicht davon ab
weiterzugehen, die anderen am Tisch kennt sie nicht, keiner von denen
hat mit Vibos Moschato etwas zu tun gehabt, und doch kann sich der eine und die andre, nämlich
Stefan Zille und Bärbel Schweikert noch an das Projekt erinnern,
ist das nicht die aus dieser Broschüre, flüstert die
Schweikert, und Zille sagt zögerlich, könnte sein, er hat
sich die Bilder des spärlich bis gar nicht bekleideten Models
als Bildschirmschoner auf seinen Rechner geladen, die Schweikert
aber, die sich nun doch ganz sicher ist, raunzt Zille an, ’tüllich
ist sie das, du guckst ihr doch täglich auf die Titten,
offensichtlich kennt sie seinen Bildschirmschoner, nun hat Donna den
Tisch erreicht, sie steht Jo, der sich etwas nicht vorhandenes von
der Nase wischt, direkt gegenüber und sagt, Jo, kennst du mich
denn nicht mehr, alle gucken, mal zu ihr, mal zu ihm, er gurgelt nur
ein fragendes Äh, und sie wieder, oder willst du mich nicht
kennen, dochdoch, sagt er, ich hab es gleich, Jo, das kann nicht
sein, Südafrika, Südafrika, Vibos Moschato , im
Krügerpark, du weißt doch noch, Sabi Sabi, und so traurig
sie klingt, weil er sich ihrer nicht zu erinnern scheint, sosehr
raubt ihr fränkisches R ihrem Auftritt die tragische Note, doch,
natürlich, Donna, sagt er, Donna Rice, und versucht es zu
lachen, dieses strahlende Lächeln, das die Frauen umkippen
lässt, aber es entgleist ihm, und er merkt es, deshalb steht er
schnell auf und fasst sie am Arm, während sie ihn, alle sehen
es, umarmen möchte, komm, lass uns reden, dort drüben, sagt
er und zieht sie weg, in Richtung der Toiletten, weg von den andern,
die ihm und ihr ungläubig nachblicken, still und staunend, bis
die Schweikert das Schweigen bricht und sagt, na, die wurde in
Südafrika definitiv nicht nur vom Fotografen geshootet.
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Neun
Tage Italien …
… hat
Claudia Demer hinter sich, die Kultour , organisiert von ihrem
Bücherklub, neun Tage Literatur pur, angefangen hat es mit
Lesungen im Bus, mit Rilke nach Triest, auf Finnegans Wehg wieder
hinaus, eine Odyssee durch Norditalien, ein Dreiviertelstündchen
mit Casanova in den Bleikammern Venedigs, dann mit dem Boot über
den Brenta-Kanal nach Padua, ein Shakespeare-Abend, war es die
Lerche, nein, die Nachtigall, in Verona, jede Nacht in einem anderen
wunderbaren Vier- oder gar Fünf-Sterne-Hotel, dann, Höhepunkt
nach Höhepunkt, Don Giovanni in der Mailänder Scala,
so vollgestopft wurde sie mit Kultur, dass sie nun, sie ist ein wenig
heikel in diesen Dingen, unter Verstopfung leidet, die ganze Reise
über diese herrlichen Unterkünfte, diese blitzblanken
sanitären Anlagen, kein Bad und WC ohne Bidet, aber sie, sie
hatte nicht gekonnt, und als ob das nicht schon schlimm genug gewesen
wäre, waren ihnen überall diese leckeren Menüs
serviert worden, Antipasti, Primi Piatti, Secondi Piatti und Dolci,
was hatte sie nicht alles gefuttert, Brasato
alla milanese zum Beispiel, Polenta, Ossubucco mit Gremolata,
ihr läuft allein bei dem Gedanken daran wieder das Wasser im
Munde zusammen, andererseits aber bereiten ihr diese Genüsse nun
unbeschreibliche Pein, noch immer ist die Luft für sie von
Basilikum geschwängert, aber ihr Gedärm stöhnt unter
dem Malfatti, den leckeren Spinatnocken, deren eine kleine, glasig
gedünstete Zwiebel ihr nun schon den dritten Tag in Folge den
Unterbauch aufbläht, ohne dass ein befreiendes Fürzchen ihr
Linderung gebracht hätte, zu verklemmt ist sie
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