Pitch (German Edition)
im Bus unter all
den Kulturbeflissenen gesessen, nun also, kaum fünfzig Kilometer
von der heimischen Toilette entfernt, hat sie es einfach nicht mehr
ausgehalten, sie fühlt sich, als müsse sie im nächsten
Augenblick platzen, gepackt hat sie ihr Sagrotanspray, ihre feuchten
Tücher und ist entschlossen aufs Klo der Autobahnraststätte
marschiert, hat sich eingeschlossen und registriert, dass es hier bei
weitem nicht so aussieht, wie es für gewöhnlich auf
Raststättenklos zu sein pflegt, beinahe sauber ist es, aber den
Augen allein traut sie nicht, deshalb desinfiziert sie gründlich
die Brille, sie hat sogar Einmalhandschuhe übergestreift, denn
gedacht hat sie an alles, und nun endlich sitzt sie da, in der
Vorfreude der Entleerung, im Stillen trällert sie sogar noch ein
Liedchen vor sich hin, es ist Leporellos Arie von Don Giovannis
Liebeskatalog, den dieser einer entsetzten Elvira unter die
ungläubigen Augen hält, madamia, il catalogo è
questo delle belle , all das erfüllt ihren Geist über
der Schüssel, als sie draußen die Tür zum Damen-WC
aufgestoßen und eine Männer- und eine Frauenstimme hört,
sie schließen sich ein, Unverschämtheit, in der Kabine
nebenan, und was sie hört, was sie hören muss, osservate,
leggete con me , lässt sie schwanken, zwischen Empörung,
peinlicher Berührung, aber doch auch spitzohrigem Lauschen,
denn, Donna, hört sie ihn sagen, Donna, ich hätte mich doch
gemeldet, meinst du, ich hätte die zwei Wochen in Südafrika
wirklich vergessen können, aber, ehrlich, meine Schwester, was,
hört Claudia Demer jetzt die andere sagen, was ist mit deiner
Schwester, sie hat sich getrennt, sie knutschen, sie hört da
doch Küsse, da reibt doch etwas an der Kabinenwand, in Italia
seicentio e quaranta , sie trennt sich von ihrem Mann, da rumst es
richtig, jetzt stöhnt sie sogar, und sie ist mit ihren Kindern
ausgezogen, zu mir gezogen, bei mir eingezogen, in Almagna
duecento e trentura , ehrlich, so war’s, sagt er, ehrrrlich,
fragt die andere fränkisch, wieder rumst es und bumst es, als
würde da jemand an der Wand rauf und runter geschoben, die
Stimmen hinter der Wand keuchen, die, denkt Claudia Demer, die
treiben es ja, hier auf der Damentoilette, ja, sagt er, ja, ehrlich,
zieht aus, daheim und mit Kind und Kegel bei mir ein ...
aberaberaber, sagt die andere, hättest rrruhigma anrufen können
... wolltichja, sagt jetzt er wieder, aberaberaber die Kinder ...
wie, fragt sie, die Kinder, was haben denn die Kinder damit ...
sagichdirjagerade, die haben mir glatt meinen Terminkalender
zerfleddert und zerrissen und die Fetzen, die ganzenganzen Fetzen im
Klo ... aber hast du denn nicht meine Nummer im Handy gegegege ...
neeneeneenee, hattichnich, weilsissjanfirmnhandy und da hab ich
zwischenzeitlich ein neues gekriegt ... aber du kannst doch nicht
sagen, dass du auch sonst meine Nummer nicht rausgekriegt hättest
... er schiebt sie wieder rauf und runter, Claudia Demer traut ihren
Ohren nicht, klar, hätte ich, aberaber ... aberwas ... aber ich
hatte soviel zu tun, gerade heute ein Pitch, aha, ein Pitch, und wie
liefs ... wie soll‘s schon gelaufen sein, gut ist‘s
gelaufen, perfekt ist‘s gelaufen, bei mir läuft‘s
immer gut, nurnurnur bin ich eben über all den Stress überhaupt
nicht dazu gekommen, nella bionda , mich bei dir zu …
aber ich hätte bald … nella bruna ... wirklich ...
ja ... hättest du, Jo ... na klar, Donna, das musst du doch
wissen, das muss dir doch klar sein, das mit uns, das ist doch ganz
groß, nella bianca , ja, Jo, das mit uns, das ist
ganzganz groß, aber da klingelt, Claudia Demer hört es,
ein Handy, was, sagt die, die er Donna nennt, du kannst doch jetzt
nicht dran gehen, dochdoch ,
geht doch ganz schnell, ja, sagt er, Neuhäuser hier, aha, Iris,
meine Schwester, flüstert er ihr zu, was sagst du, wie es lief,
gut lief‘s, was, was sagst du, du hast mit Marie gesprochen,
warumwarumdasdenn … weil was … sie ist bei dir
vorbeigekommen … sie ist im Krankenhaus … sie hat was …
das Kind … das Kind ist da, oh Gott … ja, sicher …
nein, hier ist sonst niemand … du, nein, natürlich ist
hier niemand … ich bin hier auf dem Klo … die andern
sind draußen … sicher komm ich direkt ins Krankenhaus …
ich, ich bin in, ich weiß nicht, in einzwei Stunden da …
ja, bis dann … tschüs, sagt er, es klingt, als habe er
das Gespräch beendet, Claudia Demer sitzt mit eingeschlafenen
Beinen auf der Schüssel, non si picca, se sia ricca,
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