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Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
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ändern sich.
    In Wirklichkeit bleibt alles beim Alten.
    Die Geschichte – das sind Unannehmlichkeiten, die anderen widerfahren.
    Iwan lag mit dem Gesicht nach unten und überlegte.
    Bewegen? Im Moment ausgeschlossen. Wenn ich mich aufsetze, wird mir schlecht und ich muss kotzen. Wenn ich aufstehe, verliere ich das Gleichgewicht und falle wieder um. Wenn ich die Beine anziehe, liegt mein Kopf tiefer als das Herz, das Blut schießt in mein Gehirn und ich werde ohnmächtig.
    Also lieber so liegen bleiben. Was für ein interessanter Boden. Grau, hart und eiskalt. Blanker Beton. Und ich liege darauf.
    In seinem Bauch spürte Iwan einen Bleiklumpen: seinen Magen. Er schmerzte. Etwas weiter unten seitlich ein Ziegelstein: die Leber. Auf dem bocksteifen Hals der dröhnende Schädel, durch den diese zähe Gedankensoße floss. Mit einem Wort: Iwan fühlte sich hundeelend.
    Er schloss die Augen, um weiterzuschlafen. Mit aller Willenskraft zwängte er sich in den Kokon des Schlafs zurück, so wie man eine Patrone bei offenem Verschluss ins Patronenlager schiebt. Es geht schwer, aber es geht. Iwan schlief wieder ein. Jetzt den Verschluss verriegeln.
    Als Digger solltest du vor einer Expedition vierundzwanzig Stunden schlafen, besser achtundvierzig. Denn an der Oberfläche kommst du nicht dazu. Nach der Expedition kannst du dann schlafen, so viel du willst – sofern du zurückkommst. Und nicht vergessen: Ans hermetische Tor pinkeln. Das bringt Glück.
    Diesmal hatten Iwans Schlafbemühungen nichts mit einer bevorstehenden Expedition zu tun. Sondern mit einer Alkoholvergiftung. Jede Menge Toxine im Blut, dafür zu wenig Kalzium und Vitamin C. Der Körper völlig dehydriert, der Herzrhythmus aus dem Lot. Das kommt davon, wenn man sich gnadenlos die Birne zulötet.
    Iwan schlief und war doch gleichzeitig wach. Albtraumhafte Visionen und Kreaturen lauerten in unmittelbarer Nähe, wie hinter einer Glaswand, doch jetzt dachte Iwan nach.
    Es ist alles zu Ende. Zu Ende.
    Iwans Magen brannte, als hätte er nicht Alkohol getrunken, sondern Säure. Während er schlief, zogen die Gesichter seiner gestrigen Saufkumpane an ihm vorüber. Keine Gesichter, eher Fratzen.
    »Trink, Moskowiter«, riefen die Fratzen immerfort und stellten ihm ein Glas nach dem anderen hin. Aus dem Mischbecher floss eine dunkle, nach Aceton stinkende Flüssigkeit.
    Eine mit rotblondem Flaum bewachsene Hand. Unter den Fingernägeln Steinkohlevorkommen. Abermals hatte Iwan vor Augen, wie jemand – möglicherweise er selbst – kleine, bimetallische Zylinder und Tablettenstreifen in diese Hand legte. Die Patronen, durchfuhr es Iwan in einem verspäteten Anflug von Besorgnis. Und die Antibiotika. Verdammt. Beinahe wäre er in diesem Augenblick aufgewacht, doch er schlief weiter.
    Iwan hoffte darauf, dass alles nur ein Traum war. Dass er nach dem Aufwachen die Patronen und die Antibiotika an ihrem Platz vorfinden würde, sich selbst angezogen und unversehrt, bereit, weiterzumarschieren. Immer weiter. Immer weiter.
    Wieder die gefüllten Gläser, der Acetongestank, die brennende Kehle. Dann sah er sich in der Toilettenanlage, kotzend über die Schüssel gebeugt. Danach nichts mehr. Filmriss.
    Iwan schlief und hoffte zu träumen.
    Plötzlich Stimmen.
    »Wo ist dein Moskowiter?«
    »Da drüben. Er pennt.«
    Die Stimmen kamen näher. Auch ein Traum.
    »Wahnsinn, eine Luft ist das hier drin. Wie viele sind das eigentlich?«, fragte eine Stimme – gelangweilt und doch autoritär.
    »Sechs Mann pro Zelt«, antwortete eine andere Stimme leicht pikiert. »Alles nach Vorschrift.«
    »Schon recht. Ist es der hier?«
    »Ja.«
    In seinem Dämmerzustand überlegte Iwan, ob er wohl aufstehen sollte und etwas unternehmen. Weglaufen. Oder vielleicht kämpfen. Doch dann dachte er: wozu eigentlich? – und schlief weiter.
    Plötzlich durchfuhr ihn ein stechender Schmerz. Ein höllisches Brennen in den Rippen. Iwan drehte sich auf den Rücken. Er konnte nicht einmal schreien, schnappte nur nach Luft wie ein Fisch. Vor seinen Augen ein Blitzlichtgewitter wie bei einer Gewehrsalve im Tunnel. »Vorwärts! Tod den Moskauern! Feuer!« Zur Antwort ein schallendes »Piterschweine!« und das ohrenbetäubende Geknatter eines Maschinengewehrs.
    Iwan öffnete die Augen. Alles drehte sich und verschwamm. Plötzlich schob sich ein Gesicht ins Bild.
    »Na, aufgewacht, mein Lieber?«, flötete das Gesicht.
    Eine dicke Weichei-Visage. Hatte er die schon mal gesehen? Gestern? Iwan blinzelte. Über dem

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