Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

uns haben.«
    Scheiße. Der Typ hatte recht.
    Iwan sicherte das Gewehr. Die Kopfschmerzen waren schon nicht mehr ganz so schlimm. Was so ein Adrenalinschub alles bewirken konnte …
    Iwan stand auf und streckte dem Rothaarigen die Hand entgegen.
    »Steh auf«, sagte er. »Geht’s wieder?«
    Der Kommandant der Wyborgskaja war ein spitznasiger älterer Herr mit Strickjacke. Nachdem sie in seinem Büro den Vertrag unterzeichnet und auf die Schnelle einen Happen gegessen hatten, machten sich Iwan und sein rothaariger Begleiter auf den Weg.
    Für den Alkoholexzess des vergangenen Abends büßte Iwan bei jedem Schritt.
    »Diese Stationen waren geplant, wurden jedoch nie gebaut«, erzählte der Rothaarige, der auf den Namen Violator hörte. »Die Sampsonijewskaja und die Botanitscheskaja . Ein hübsches Pärchen. Immerhin wurden die Tunnel fertig. Außerdem war noch die Station Sredni prospekt vorgesehen, mit einem Übergang zur Waska .«
    »Ich weiß«, erwiderte Iwan. »Jedenfalls habe ich davon gehört.«
    »Die wurde aber auch nicht fertiggebaut«, fuhr Violator fort. »Nicht einmal die Tunnel dorthin wurden fertig. Dafür kann man von dort auf die Wassiljewski-Insel gelangen, wenn die Tunnel inzwischen nicht völlig unter Wasser stehen. Es gibt dort einen Fahrsteig unter der Newa.«
    »Einen was?«
    »Ein Fahrsteig, das ist so eine Art Rolltreppe, nur in der Horizontalen. Ein Laufband. Du stellst dich drauf und fährst. Das Ding funktioniert natürlich schon lange nicht mehr.«
    Der Gedanke, auf direktem Weg zur Wassileostrowskaja zu gehen, war verlockend. Doch was sollte Iwan dort?
    Tanja. Iwan schloss die Augen, um den Schwindel loszuwerden. Nein. Zuerst zu Schakilow. So, wie er es sich beim Blinden überlegt hatte.
    Das Gemetzel an der Ploschtschad Wosstanija hatte sich schon in der ganzen Metro herumgesprochen.
    Seine Aufgabe bestand darin, zurückzukehren und am Leben zu bleiben.
    Und Rache zu nehmen.
    Ganz einfach.
    Nach etlichen Stunden erreichten sie die Station Tschornaja retschka , die aus unerfindlichen Gründen beinahe menschenleer war. Auch Violator konnte sich das nicht erklären. Am Bahnsteig brannte ein einsames Lagerfeuer, an dem Menschen in bunten Gewändern saßen. Iwan hatte seit Ewigkeiten kein Lagerfeuer mehr gesehen. In der Allianz konnte man sich mit offenem Feuer handfesten Ärger einhandeln.
    Außer es handelt sich um einen Flammenwerfer, dachte Iwan bitter.
    Am Feuer erhob sich ein groß gewachsener Mann mit einem breitkrempigen Hut. Grau durchsetzter Vollbart. Dunkle Haut.
    »Zigeuner«, erläuterte Violator. »Warte hier, ich komme gleich wieder.«
    Mit offenen Armen und einem Lächeln, das vom einen Ende des Bahnsteigs bis zum anderen reichte, ging er dem Mann mit Hut entgegen.
    Dieser machte jedoch keinerlei Anstalten, den Ankömmling in die Arme zu schließen. Stattdessen fuhr er den Rothaarigen barsch an und bedeutete ihm mit einer unmissverständlichen Handbewegung, er möge verschwinden. Violator redete auf ihn ein, doch der Zigeuner wiederholte die abweisende Geste.
    Iwan wartete.
    Als Violator zurückkam, zeigte er sich nicht im Mindesten beeindruckt von dem unfreundlichen Empfang.
    »Er sagt, die Engel erlauben es nicht«, erläuterte er kryptisch.
    Die Station Petrogradskaja durchquerten sie praktisch ohne Aufenthalt. Es war eine stille und merkwürdige Station. Auch die Leute dort waren still und merkwürdig. Iwan wusste nicht so recht, woran es lag, doch unter den Bewohnern der Petrogradskaja fühlte er sich völlig fremd.
    »Das sind Dendrophile«, flüsterte Violator.
    »Was?«
    »Pflanzenfreunde«, sagte der Rothaarige, ohne näher darauf einzugehen.
    Iwan war es auch herzlich egal. Wenn es nach ihm ging, hätten diese Leute auch Philatelisten sein können. Er wusste sowieso nicht, was diese komischen Wörter bedeuteten. Dendrophile. Philatelisten.
    Scheiß drauf.
    Als sie einige Stunden später die Abzweigung zur Gorkowskaja erreichten, richtete Violator plötzlich sein Gewehr auf Iwan.
    »Was soll das denn werden?«, erkundigte sich Iwan mit einer Seelenruhe, die ihn selbst überraschte.
    »Du schuldest mir noch die zweite Hälfte des Honorars«, sagte Violator.
    »Stimmt.«
    »Dann lass rüberwachsen. Den Rest des Weges musst du allein gehen, sorry.«
    »Okay.« Iwan nickte. »Verstehe.«
    Bestrebt, keine ruckartigen Bewegungen zu machen, nahm er die Patronen aus seiner Tasche und zählte die vereinbarte Menge ab.
    »Leg sie auf den Boden.«
    Iwan zuckte mit den Achseln