Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
Vom Netzwerk:
was an ihnen so ungewöhnlich war, wusste er nicht zu sagen – einmal abgesehen von ihren auffallend hohen Stimmen.
    Ihre Gesichtszüge hatten etwas Weibisches.
    »Das sind Kastraten«, flüsterte ihm Wodjanik zu.
    »Was?« Iwan zog die Augenbrauen hoch. » Die Kastraten?«
    Der Professor nickte. »Ja, genau die, die Saddam der Große zu Engeln gemacht hat – oder zu Krüppeln, ganz wie man will.«
    Einer der Kastraten sah plötzlich auf. Auf seiner Wange prangte ein großer Leberfleck. Er hielt Iwans Pass in der Hand und wandte sich an seine Kollegen. Einer davon – den Abzeichen auf seinem Kragen nach der Chef des Postens – nahm den Pass und betrachtete ihn aufmerksam. Dann musterte er den Digger.
    Stimmte irgendwas nicht? Iwan schwante nichts Gutes.
    »Saddams Blut!«, rief der Chefkastrat mit seiner hohen, kräftigen Stimme.
    Die drei anderen waren auf einmal überhaupt nicht mehr freundlich und richteten ihre Kalaschnikows auf die Besucher.
    »Mitkommen!«
    »Na super«, kommentierte der Oberführer sarkastisch und nahm die Hände hoch. »Jetzt sind wir erledigt. Von einem solchen Tod habe ich schon immer geträumt.«
    Während sie über den Bahnsteig gingen, nickten ihre Bewacher den anderen Bewohnern zu. Wie die Udelnaja bestand die Station aus einer einteiligen Bahnsteighalle. Hinter der Beleuchtungsblende brannten einige Lampen. Teile der Station waren mit weißen Stoffbahnen abgeteilt. Welchen Sinn das hatte, erschloss sich Iwan nicht.
    Der Kerl mit dem Leberfleck ging rechts von Iwan und rief immer wieder: »Saddams Blut! Saddams Blut!«
    »Was haben sie denn dauernd mit ihrem ›Saddams Blut‹?«, fragte der Oberführer im Flüsterton.
    »Keine Ahnung«, erwiderte Iwan. »Aber ich fürchte, es sieht eher schlecht für uns aus.«
    »Mund halten!«, schnauzte der Leberfleck und blökte dann wieder sein »Saddams Blut!«.
    Die umstehenden Kastraten gerieten in helle Aufregung, bildeten Grüppchen, tuschelten untereinander und zeigten mit den Fingern auf die Fremden.
    Mist, dachte Iwan. Jetzt sitzen wir schon wieder in der Tinte. Was wollen die Typen überhaupt von uns?
    Plötzlich machte der Oberführer einen Satz nach vorn und versuchte dann Haken schlagend zu entwischen. Keine Chance: Eine Welle aus Leibern überrollte ihn und begrub ihn unter sich. Iwan wollte ihm zu Hilfe eilen, doch ein Gewehrschaft streckte ihn nieder. Dreckskerle. Iwan schnappte nach Luft. Er fiel mit den Knien auf den Bahnsteig, stützte sich mit den Händen ab und kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit.
    Mann, Ober!
    Kurz darauf ging die Menge auseinander und gab den Blick auf den Skinhead wieder frei. Er lag rücklings auf dem Boden und schlug mit den Füßen um sich.
    Vier Mann packten ihn an allen vieren und trugen ihn davon.
    »Lasst mich los, ihr schwulen Säue!«, schrie der Skinhead außer sich. »Sofort loslassen!«
    Seine Stimme hallte von der gewaltigen weißen Gewölbedecke wider und füllte den Raum wie in der Oper. Iwan spürte, wie es in seiner Brust vibrierte.
    »Was für eine fantastische Akustik«, schwärmte Wodjanik. »Einfach unglaublich! Diese Leute haben hier ein perfektes akustisches System aufgebaut. Sehen Sie, die Leinwände dort dienen als Reflexionsflächen. Wenn ich das richtig sehe, ist hier alles bis ins kleinste Detail auf Operngesang ausgerichtet. Die Schallreflexion, der Nachhall, einfach alles! Die Geschichte von der Station, deren Bewohner wie Engel singen, ist also doch keine Legende.«
    Iwan sah den Professor verständnislos an. Aus solchen Leuten sollte man Tübbings bauen, dachte er. Die wären dann völlig unzerstörbar.
    Nach dem Vorfall führte man sie ins Gleisbett hinunter, trieb sie durch einen Schacht und stieß sie in einen Raum unter dem Bahnsteig. Die Tür wurde abgesperrt.
    Iwan sah sich um. Am Boden lagen Matratzen, und von der Decke hing eine Glühbirne. Ihr greller Lichtschein brandete gegen die Netzhaut. Iwan wandte sich ab.
    Kurz darauf hörte man draußen Lärm und Geschrei.
    Die Tür wurde geöffnet und nach einem kurzen Handgemenge flog der Oberführer herein.
    Die Tür wurde wieder zugesperrt. Stille.
    »Auch schon hier?«, frotzelte Iwan.
    Der Skinhead lag völlig geplättet auf dem Boden und sah übel zugerichtet aus.
    »Die können nicht mal richtig zuschlagen«, lästerte er. »Weiber sind das, Weiber!«
    »Für Weiber sind sie ganz schön kräftig geraten, eure Kastraten.« Der Oberführer stand ächzend auf, kratzte sich am Hinterkopf und spuckte Blut. »Warum

Weitere Kostenlose Bücher