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Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
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ihnen die höheren Mächte heute gewogen. Vielleicht sogar der Herr der Tunnel selbst. Jedenfalls hatten sie den Dieselmotor nach kurzer Zeit wieder in Gang gebracht.
    Inzwischen waren einige Gerätschaften des Boots zu neuem Leben erwacht. Das Periskop ließ sich nun endlich bewegen und in der Kommandozentrale leuchteten einige Messgeräte und LEDs. Eine unschlüssige Lampe im Akkumulatorenraum, die mal aufleuchtete und mal wieder verlosch, warf einen blinkenden Lichtschein in die Kommandozentrale. Dieser spiegelte sich im schwarzen Wasser, das im gesamten Boot knöcheltief stand. Krassin hoffte, dass es später gelingen würde, die Elektropumpen anzuwerfen, um die Räume trocken zu bekommen.
    Aber selbst wenn nicht, dachte Iwan, es gibt weiß Gott Schlimmeres als ein bisschen Wasser im Boot. Wenn die Fahrt so gut weiterläuft wie bisher, erreichen wir in drei Stunden das Leningrader AKW.
    Bumm. Bumm. Dumpfe Schläge gegen den Rumpf.
    Mist. Jetzt hatte er es doch verschrien.
    »Iwan.« Der Kopf des Oberführers erschien in der Luke des Akkumulatorenraums. »Irgendwas trampelt da oben herum. Direkt über uns. Also über dem Dieselraum, du weißt schon. Vielleicht sollte man da mal nachsehen? Was meinst du?«
    Aha. Iwan nickte.
    Ein blinder Passagier. Den sehen wir uns doch mal genauer an.
    Vorsichtig spähte Iwan aus dem Bootsturm, dessen Tür er einen Spaltbreit geöffnet hatte. Keine Pterodaktylen. Die waren weggeflogen, als das Boot in die Newabucht hinausfuhr. Als Souvenir hatten sie ein paar große Kotflecken auf dem Deck zurückgelassen. Mistviecher.
    Er hob das Gewehr und lauschte. Nichts zu hören. Nur das Fahrtgeräusch und das sanfte Wummern des Dieselmotors durchbrachen die Stille. Mit dem Fuß drückte er die Tür auf. Qui-ietsch. Iwan trat aufs Deck hinaus und kauerte sich auf einem Knie nieder. Schaute nach links, nach rechts …
    Iwan schwindelte leicht. Sie befanden sich auf dem offenen Meer. Über der riesigen Wasserfläche lag der fahle, dunstige Schein der Weißen Nacht. Das Boot unter seinen Füßen vibrierte und schaukelte sanft in den Wellen. Am Bug quollen weiße Gischtkämme auf, huschten vorbei und verschwanden achtern. Linker Hand erstreckte sich die dunkle Küstenlinie.
    Rechter Hand … Iwan spürte plötzlich wieder diesen Druck im Hinterkopf. Was war das denn! Er drehte sich zum Heck um und erstarrte. Er hatte es tatsächlich verschrien.
    Grüße aus den Tiefen der Newabucht.
    Iwan kniff das linke Auge zu und schwenkte langsam den Lauf des Gewehrs. Im Visier erschien ein undeutlicher grauer Fleck, der etwas heller war als die umgebende Dunkelheit. Was, zum Henker, war das?! Langsam atmete Iwan aus. Der Fleck wurde allmählich größer.
    Scheißvieh. Mein ganzes Leben habe ich gefürchtet, auf eine Kreatur zu treffen, die mich tötet, noch bevor ich sie richtig erkennen kann. Jetzt ist sie da. Ich sehe sie, soweit das in dieser Düsternis möglich ist. Aber ich habe nicht die geringste Lust zu sterben.
    Iwan legte den Finger auf den Abzug. Ein leichter Druck genügte … Der Schiffsrumpf unter ihm vibrierte. Leise plätscherten die Wellen. Und dort der graue Fleck. Jetzt dehnte er sich nach oben aus, als stünde ein Mensch auf.
    Ein Mensch. Vielleicht. Aber dann einer, den ein Kind gemalt hat. Ohne auf Größe und Proportionen zu achten. Denn selbst wenn dort hinten auf dem Heck der größte Mensch der Metro stünde, dürfte er von hier aus höchstens halb so groß erscheinen wie dieser .
    Die graue Kreatur richtete sich auf. Iwan schwankte. Das Visier wanderte über den grauen Fleck. Nach oben, nach unten, zur Seite. Die Kreatur richtete sich auf und drehte sich um – so sah es jedenfalls aus.
    »Allem, was für uns ungewohnt, fremd und unverständlich ist, dichten wir unbewusst anthropomorphe Eigenschaften an«, hatte Wodjanik gesagt. Wenn auch in einem anderen Zusammenhang.
    »Und was heißt das?«, hatte Iwan seinerzeit gefragt.
    »Wir bilden uns ein, dass wir es mit einem Menschen zu tun haben. Und im Nachhinein stellt sich heraus, dass er – oder es – mit einem Menschen nicht das Geringste gemein hat. Es ist dumm, jemandem nur aufgrund einer äußerlichen Ähnlichkeit menschliche Absichten, Wünsche und Ängste zuzuschreiben. Besonders dann …« – an dieser Stelle hatte der Professor eine effektvolle Pause gemacht –, »… wenn selbst die äußerliche Ähnlichkeit nur auf Einbildung beruht.«
    Der graue Mensch wandte Iwan sein Gesicht zu. Oder was war das, was auf seinem

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