Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter
Hals saß? Es war rund und im Vergleich zum übrigen Körper klein. Es leuchtete in der Dunkelheit. Zwei Augen – zwei runde Löcher. Das konnte alles Mögliche sein, vielleicht sogar ein Hintern, jedenfalls schaute die graue Kreatur damit zu Iwan. Und sie sah ihn. Iwan schauderte. Der Anblick an sich hatte nichts Grauenhaftes. Da stand ein riesiger Mensch und schaute. Doch Iwan bekam weiche Knie. Als wäre mit einem Mal alles Blut aus seinem Körper entwichen.
Der »Passagier« bewegte sich nicht. Er sagte nichts. Er schaukelte nur leicht auf und ab, mit der Bewegung des Boots.
Wir bilden uns ein, schon alles gesehen zu haben. Aber irgendwann sehen wir mehr. Und dann stellt sich heraus, dass unser Verstand an einem seidenen Faden hängt. Und schon der leiseste Windhauch genügt, um diesen Faden zum Reißen zu bringen.
Iwan starb tausend Tode.
Im nächsten Moment fuhr er herum und stürzte zurück in den Turm. Dort sank er auf den Boden und lehnte sich gegen die rostige Wand. Kälte kroch ihm in Rücken und Nacken. Iwan versuchte, die Panikattacke irgendwie unter Kontrolle zu halten. Sein Verstand, seine gesamte Persönlichkeit schwebte in diesem Augenblick über seinem Körper. Iwan sah sich von der Seite, wie einen Fremden. Wer war dieser lächerliche, ausgebrannte Typ mit den eingefallenen Augen? Dann hob der Über-Iwan den Kopf und spürte selbst durch die Stahlwand des Turms, dass der graue »Passagier« ihn anstarrte. Er stand einfach auf dem Heck des U-Boots, schaukelte leicht auf und ab und starrte ihn an.
Auf einen Schlag gewann Iwan sein Körpergefühl zurück.
Pause. Die Kühle im Nacken, das Vibrieren des Schiffsrumpfs, das leise Wummern des Dieselmotors. Das Rauschen von Wasser, das durch ein Speigatt abgelassen wurde.
Iwan nahm all seine Kraft zusammen, rappelte sich auf und schlug die Tür zu. Dang! Dann legte er den Schließhebel um, der quietschend und quälend langsam einrastete.
Iwan atmete durch, wandte sich von der Tür ab und hob sein Gewehr auf. Mit dem Fuß ertastete er den runden, vorgewölbten Lukendeckel. Das war der Fluchtweg nach unten, in den sicheren Bauch des U-Boots.
Das Gefühl, neben sich zu stehen, war vergangen.
Iwan fröstelte. Sein Rücken war klatschnass.
Mit zittrigen Händen öffnete er die Luke, ließ sich hinab und schloss sie wieder. Mit letzter Kraft riss er sich die Gasmaske vom Kopf. Beinahe hätte er sie fallen lassen. Er blieb noch ein paar Sekunden auf der Leiter stehen und lauschte.
Nichts.
Der »Passagier« verhielt sich außergewöhnlich still.
Ob das so bleiben würde?
Der Rumpf des U-Boots pflügte durch die Fluten.
Iwan sprang von der Leiter und landete bis zu den Knien im Wasser. Verdammt!
Das Wasser war eindeutig gestiegen. Sank das Boot?
»Was ist das für ein Scheiß?!«, brüllte Iwan.
Er versuchte den Lärm des Dieselmotors zu überschreien. Rumm-rumm-rumm. Das Aggregat lief auf vollen Touren. Iwan hörte bedenkliche Geräusche. Mit seinem sensiblen Gehör bemerkte er sofort, dass der Motor nicht ganz rund lief.
Krassin reagierte nicht.
Der Kommandant klebte hinter dem Periskop und drehte an den Griffen. Iwan fluchte still in sich hinein. Die direkt an den Generator angeschlossenen Pumpen taten ihr Bestes, doch offensichtlich drang mehr Wasser ins Boot ein, als sie hinauspumpten. Iwan sah sich um. Der Rumpf des U-Boots war nicht dicht. Der buglastige Trimm hatte sich auch verstärkt. Bald würde die Schiffsschraube aus dem Wasser ragen. Und dann gute Nacht.
»Kann mir einer vielleicht mal sagen, was los ist?!«, schrie Iwan.
Der Kommandant lehnte sich zu Iwan zurück.
»Wir gehen unter«, sagte er lapidar. Iwan schluckte. Krassin grinste blass. »Na, oder wir tauchen. Wir sind schließlich nicht irgendwelche Nullachtfünfzehn-Seeleute, sondern U-Boot-Fahrer.«
Die S-189 fuhr mit Höchstgeschwindigkeit. Der Rumpf vibrierte. Die Glasscheiben in den Schaukästen klirrten. Das Auf und Ab in den Wellen wurde immer heftiger.
»Was sollen wir tun?«
»Nach backbord!«, kommandierte Krassin. »Auf Kurs zwo-eins-zwo gehen.«
»Zu Befehl!«
Kusnezow drehte souverän am Steuerrad, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Der Zeiger des Anzeigegeräts vor ihm zuckte und bewegte sich auf der Metallskala nach oben.
»Ich richte das Boot senkrecht zu den Wellen aus«, erläuterte Krassin. »In einem Winkel von achtzig Grad zum Ufer. Für einen so starken Wellengang ist die S-189 nicht ausgelegt. Wenn wir parallel zu den Wellen fahren,
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