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Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
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könnten wir ohne Weiteres kentern.«
    »Wirklich?«
    Krassin nickte.
    Iwan legte die Hände an die Periskopgriffe und beugte sich zu den Okularen vor. Der alte Gummi war hart und scharfkantig wie geschreddertes Metall. Er bohrte sich in die Stirn, in die Wangen und in die Nase.
    Durch die trübe Scheibe sah Iwan den langgestreckten, nebelverhangenen Küstenstreifen. Wie kleine Inseln schwammen versprengte Baumkronen darin. Rechter Hand waren einige verschwommene Gebäude zu sehen, die gespensterhaft aus dem Nebel ragten. Eine Sinnestäuschung?
    Iwan sah vieles, aber nicht das, was er sehen wollte.
    »Weit und breit kein Uferkai.« Iwan rückte vom Periskop ab. »Wie sollen wir da festmachen?«
    »Richtig.« Krassin lächelte plötzlich. » Schluss mit dem Elend, die Torpedos – einerlei! Uns zieht es zum Uferkai. Wyssozki, ›Rettet unsere Seelen‹. Eines meiner Lieblingslieder. In der Tat, anlegen können wir dort nirgends. Wir werden uns also einfach ans Ufer werfen wie ein lebensmüder Wal. Einen anderen Ausweg sehe ich nicht. Das Boot läuft zu schnell voll.«
    Iwan schwieg. Kusnezow stand totenbleich hinter dem Steuerrad. Doch er hielt sich tapfer. Im grünlichen Wasser, das ihm fast bis zur Hüfte reichte, schimmerte der Widerschein der Zifferblätter. Man konnte buchstäblich dabei zuschauen, wie das Wasser stieg. Und es war saukalt. Scheiße.
    Kusnezow behielt die Ruhe. Der Junge wird erwachsen, dachte Iwan und wandte sich ab.
    Trotz des ohrenbetäubenden Dröhnens hörte Iwan im Dieselraum den Oberführer fluchen. Wenn auch nur einzelne Wortfetzen: »… am Arsch!«
    Und dann noch dieser »Passagier«. Der Teufel soll ihn holen.
    »Fertigmachen zum Ausstieg. An der Leiter sammeln. Dieselraum!« Krassin griff zum Mikrofon. »Hört ihr? Maximale Kraft voraus und dann raus hier.«
    Der Rumpf des U-Boots vibrierte. Die Schläge der Wellen klangen dumpfer.
    »Fertigmachen zum Ausstieg«, wiederholte Krassin. »Na los, worauf wartet ihr noch? Vorwärts, Matrose!«
    Der Kommandant verscheuchte Kusnezow und nahm selbst den Platz am Steuerrad ein.
    »Und du kommst sofort nach!«, rief Iwan.
    Krassin nickte, ohne sich umzudrehen.
    Einer nach dem anderen kletterten sie die Leiter hinauf. Iwan griff in die Sprossen und leuchtete mit der Lampe nach oben. Tja. Er schaute direkt auf das Hinterteil des Oberführers, das in der Gummihose des ABC-Schutzanzugs steckte. Weißliche Schmutzflecken auf grauem Grund.
    Was für ein Leben, dachte Iwan verdrießlich, wenn du ständig das Gefühl hast: Gleich bist du am Arsch.
    »Gasmasken aufsetzen«, kommandierte der Digger. »Wir steigen in die große weite Welt hinaus.«
    »Auf mein Kommando!«, schrie Krassin von unten herauf. »Drei! Zwo!«
    Iwan atmete durch und prüfte seine Pistole. Kontrolle schadet nie. Die Waffe war in Ordnung. Hinter ihm kletterte Kusnezow. Danach folgte Mandela. Den Schluss machte der Graue. Er stand noch unten am Absatz, bis zu den Knien in der öligen Brühe.
    Es roch nach Feuchtigkeit, Dieselruß und fauligem Wasser.
    »Eins! Null! Los!«, kommandierte Krassin.
    Knarzen. Dann ein Gepolter, als hätte man etwas Schweres umgeworfen. Das Licht blendete Iwan im ersten Moment, doch er verharrte nur kurz und stieg weiter hinauf. Ungewohnte Helligkeit flutete in die Augen. Unter den Handschuhen schmatzte feuchter Rost und abgeblätterter Lack rieselte herab.
    Als Iwan sich bereits am Lukenrand festhielt, packten ihn die anderen an den Handgelenken und zogen ihn hinauf.
    Das Licht fiel auf verrostete Nieten. Sie befanden sich im Turm, jetzt mussten sie auf die offene Brücke hinaus. Am Turm schrammte etwas Metallisches entlang, ein Schlag. Noch ein Schlag. Als würde ein Brecheisen gegen die Wand hämmern.
    Unten begann Krassin zu singen:
    Rettet unsere Seelen,
    lasst nicht Atemnot uns quälen.
    Seine Stimme hallte im Bauch des U-Boots wider, als würde nicht einer singen, sondern viele. Als würden sämtliche toten Matrosen der S-189 in den Gesang des jetzigen Kommandanten einstimmen.
    Rettet unsere Seelen,
    eilt zu uns!
    Ihr am Festland, hört uns bald,
    unser SOS verhallt.
    Unser eignes Angstgeschrei
    reißt uns das Herz entzwei!
    Mit angelegten Gewehren stürmten sie aus dem Turm.
    Iwan atmete auf. Der nächtliche »Passagier« am Heck war verschwunden. Als wäre er nie da gewesen.
    Dann schaute Iwan zur anderen Seite.
    Der ganze vordere Teil des Rumpfs war mit Kot verschmutzt. Am Bug spritzte Gischt. Das U-Boot pflügte mit voller Fahrt durchs

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