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Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
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Leistung halbiert, was ich gemacht habe, verlängert sich die Betriebszeit entsprechend.«
    »Und warum laufen die anderen Reaktorblöcke nicht mehr?«, erkundigte sich Iwan. »Oder sind die etwa auch noch in Betrieb?«
    Fjodor lächelte.
    »Nein. Sie laufen nicht mehr.«
    »Warum?«
    »Ich habe sie abgeschaltet. Sonst wäre es zu einer Kernschmelze gekommen. Das ist das Problem am automatischen Betrieb. Der Reaktor verbraucht das Kühlwasser und der Kern beginnt zu schmelzen. Der Super-GAU. Deshalb habe ich sie heruntergefahren. Das war allerdings nicht ganz leicht. Ich habe zwar ein gutes Gespür für einen Reaktor, wie ein Autofahrer für seinen Wagen, aber es handelt sich schließlich um Reaktoren, mit denen ich nicht vertraut war. Das ist, wie wenn man plötzlich eine andere Automarke fährt. Der vierte Block war zur Instandsetzung abgeschaltet, deshalb musste ich nur zwei Reaktoren herunterfahren. Block 1 und Block 2. Bei Block 2 ging es relativ schnell und problemlos. Bei Block 1 hatte ich so meine Schwierigkeiten. Wie mit einem Auto bei Glatteis. Aber das wird Ihnen nicht viel sagen.«
    »Mir schon«, erwiderte der Oberführer.
    Der Skinhead schien buchstäblich aufgewacht. Iwan hatte seine Anwesenheit schon beinahe verdrängt, da er an diesem Tag sehr schweigsam gewesen war.
    »Dann wissen Sie ja, was ich meine. Ein paarmal bin ich ganz schön ins Schleudern gekommen. Es hat nicht viel gefehlt, dann hätte es hier ein zweites Tschernobyl gegeben.«
    »Die ganze Welt war doch …« Der Oberführer hielt inne und kratzte sich am Hinterkopf.
    »Richtig.«
    »Soll ich mal einen Witz erzählen?«, fragte der Oberführer grinsend und begann, ohne eine Antwort abzuwarten, mit zwei Stimmen zu sprechen: »Hey, Tschuktsche, wo fährst du hin? Nach Tschernobyl. Spinnst du? Das ist doch verstrahlt. Sagt der Tschuktsche: In Moskau sind es zwanzig Röntgen pro Stunde, in Sankt Petersburg zehn Röntgen pro Stunde und in Tschernobyl fünf Röntgen pro Stunde. Da fahre ich mit der ganzen Familie zum Sonnenbaden hin!«
    Der Skinhead schaute vom einen zum anderen und wartete auf eine Reaktion. Alle schwiegen.
    »Nicht so besonders witzig«, befand schließlich Kusnezow.
    Iwan nickte. Kommt schon mal vor, dass auch gute Witzerzähler einen schlechten Witz zum Besten geben.
    Plötzlich brach Mandela in schallendes Gelächter aus.
    »Haha! Ich lach mich schlapp! Zum Braunwerden … Hahaha!« Er schlug sich mit den Händen auf die Schenkel und schüttelte sich vor Lachen. »Ich pack’s nicht. Hahaha!«
    Schweigend beobachtete der Oberführer den bizarren Auftritt des Schwarzen. Das Gesicht des Skinheads wirkte wie aus Stein gemeißelt, seine Nasenflügel bronzefarben wie beim Ross des Ehernen Reiters.
    »Hör mal, Mandela«, sagte schließlich der Oberführer. »Kann es sein, dass du ein Rassist bist?«
    »Ich?« Dem Schwarzen blieb das Lachen im Halse stecken.
    »Anscheinend hat er was gegen Tschuktschen.« Die Augen des Oberführers verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Sag bloß nichts gegen die Tschuktschen, sonst gibt’s was auf die Mütze, klar?«
    »Was ist denn an Tschuktschen besser als an Schwarzen?«, fragte Mandela empört.
    »Sie sind weit weg.«
    »Ihr meint, wegen der zentralen Beleuchtung?«, fragte der Alte.
    »Ja, wir glauben, dass die Metro von hier, vom Leningrader AKW, gespeist wird«, erwiderte Mandela.
    »Gut möglich«, bestätigte Fjodor. »Vielleicht über unterirdische Stromtrassen. Vor der Katastrophe wurden solche Netze als Reserveleitungen verlegt. Möglicherweise sind nicht nur wir an diese Reserveleitungen angeschlossen. Im Fachchinesisch nennt man so was mehrfache Redundanz. Würde mich nicht überraschen, wenn die Metro selbst dann noch Strom hätte, wenn das Leningrader AKW seinen letzten Brennstoff verbraucht hat. Allerdings werde ich das nicht mehr erleben – er wird länger reichen als meine Lebenszeit.« Der Alte hielt inne und musterte die Digger. »Kommt, ich zeige euch, wo ihr schlafen werdet.«
    Iwan nickte dankbar. Die Ereignisse dieses Tages waren über sie hereingebrochen wie ein Tunneleinsturz. Außerdem: Nach einer halben Nacht mit Gasmaske ist jeder kaputt. Die Digger hielten sich kaum noch auf den Beinen.
    Während Iwan dem Alten durch einen Korridor folgte, ging ihm alles Mögliche durch den Kopf.
    Das Atomkraftwerk.
    Nicht zu fassen.
    Das Ding gibt es wirklich noch. Und es funktioniert.
    Der Alte führte sie durch ein Labyrinth von Gängen. Iwan kam aus dem Staunen nicht

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