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Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
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Erstaunlich.
    Tanja hatte Lust, sich hinzusetzen und sich an diesem Paradox zu ergötzen, dass Männer – sieh mal einer an – Männerarme haben. Sie sah sie sogar vor sich: starke, dunkel behaarte Arme. Sie sind nicht glatt, sondern wie aus rohem Stahl gegossen, mit hervortretenden Adern am Handgelenk. Iwan hatte solche Arme gehabt.
    Erst, wenn er dich in den Arm nimmt, merkst du, wie stark er ist. Unglaublich stark. Der Stoffwechsel, oder so. Eine Frau ist nicht viel kleiner von Wuchs, doch von solcher Kraft kann sie nur träumen …
    Vor allem, wenn sie diese Kraft dringend bräuchte.
    Tanjas Körper überlief ein Schauer. Gerade war Sasonow gegangen.
    Iwan hatte zwei Freunde gehabt. Zwei beste Freunde. Der eine war jetzt ein Krüppel, der andere ein Dieb.
    Pascha war von Anfang an in sie verliebt gewesen, das hatte sie gespürt. Aber sie hatte sich nie den Kopf darüber zerbrochen. Der Gedanke daran wohnte irgendwo auf dem Speicher, in einer vergessenen Rumpelkammer, in die nie jemand hineinschaute. Pascha war in sie verliebt gewesen, aber mehr auch nicht. Er war Iwans Freund gewesen, als der noch lebte. Und als er noch ihr Iwan war.
    Und nicht dieser halblegendäre Held, Mörder und Psychopath.
    Sie drehte den Kopf und schaute zum Gittertor.
    Bald würden der Riegel scheppern und die ungeölten Angeln quietschen. Pascha würde hereinkommen. Mit summenden Rädern. Summ, summ, summ.
    Als er nach den Ereignissen an der Wosstanija zurückkehrte, hatte sie ihn kaum wiedererkannt. Pascha hatte sich verändert. Er war neuerdings verschlossen, gehässig und böse. Benahm sich grob und wurde manchmal sogar ausfallend, als wollte er sie verletzen. Als wäre es ihre Schuld, dass Iwan nicht mehr lebte und Pascha zwar noch lebte, aber nicht mehr laufen konnte. Er war an jenem Tag verwundet worden und saß seither im Rollstuhl. Und strafte sich (und sie!) dafür, dass er damals nicht an Iwans Seite gewesen war.
    Tanja hätte sich gewünscht, dass sie wieder Freunde sein könnten. Sich normal unterhalten. Einfach zusammensitzen. Aber das klappte nicht mehr. Er warf ihr regelmäßig Grobheiten an den Kopf und dann stritten sie wieder. Tanja seufzte.
    »Was hat dieser …« – Pascha nannte Sasonow niemals beim Namen – »… dieser Typ hier eigentlich verloren?« Tanja zuckte mit den Schultern. Sie konnte es ihm ja schlecht verbieten herzukommen. Zumal jetzt, da die Hochzeit unmittelbar bevorstand.
    Sie wusste in der Tat nicht, wie sie Sasonow loswerden sollte, wenigstens für eine gewisse Zeit. Er schüchterte sie ein.
    Denn aus Sasonows eisgrauen Augen blickte sie eine hungrige Bestie an.
    In der Glaskugel tanzten Fitzelchen aus glitzernder Folie. Langsam und anmutig rieselten die Schneeflocken herab. Sie fielen auf die verschneite Lichtung, auf die winzigen Tannen und auf das weiße, von Schneewehen bedeckte Dach des Häuschens.
    Abermals schüttelte Sasonow die Kugel, und es schneite aufs Neue. Die Schneekugel hätte Iwans Hochzeitsgeschenk für seine Braut werden sollen. Wurde sie aber nicht.
    Weil ich mich eingemischt habe, dachte Sasonow.
    Das war ganz einfach.
    Ich habe seinen Diggertrupp übernommen.
    Sein Leben und seine Station.
    Selbst diese alberne Kugel habe ich ihm abgeknöpft.
    Und jetzt nehme ich ihm die Frau ab.
    Wie gefällt dir das, Iwan?
    Alles, was einmal dir gehörte, gehört jetzt mir.
    Oder es wird mir gehören, früher oder später.
    Natürlich hatte sie immer damit rechnen müssen, dass Iwan eines Tages nicht zurückkehren würde. Bei einem Digger weiß man nie. Die leere Stadt dort oben war seine Geliebte gewesen. Es klingt absurd, aber Tanja war tatsächlich eifersüchtig gewesen auf die frostigen Uferstraßen, auf die steinernen Brüstungen und die Granitlöwen, die sie nur von Bildern kannte. Die Gefahr an der Oberfläche war stets Tanjas Rivalin gewesen. Eine Rivalin, die älter und klüger war als sie. Die es nicht nötig hatte, Iwan zu umgarnen oder zu locken. Er kehrte so oder so stets zu ihr zurück.
    Iwan, Iwan …
    Jetzt würde er nicht mehr hier vorbeikommen und sich an die Käfige lehnen, in denen die Meerschweinchen wuselten und fiepten. Nie mehr würde er Boris fragen: »Na, alter Fresssack, bist du immer noch nicht krepiert?«
    Der Fresssack hatte sich für immer erledigt.
    Sie betrachtete die weiße Plastikschachtel mit der Aufschrift »Quartz grill«. Boris schnaufte pfeifend und wühlte in den Sägespänen. Als die Blockade verhängt wurde, wäre er beinahe in der Pfanne

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