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Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
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davon.
    Raschelnder Stoff.
    Als der Digger gegangen war, sah Iwan auf. An der Mauer hing ein kleines weißes Schild mit der Aufschrift: »Alexander Schakilow«. Ewiges Gedenken, mein Freund.
    Iwan unternahm einen Rundgang über die Station.
    »Lust auf einen Animationsfilm?«, fragte ein kleines Männchen mit dünner Stimme.
    »Auf was, bitte?« Iwan verstand nicht sofort.
    »Auf einen Animationsfilm. Es gibt da was Neues. Nur für gute Kunden. Violetter Staub. Nicht ganz billig. Aber das Zeug ist es wert. Kommt von der Waska . Das wird der beste Trip deines Lebens, kannste mir glauben.«
    Von der Waska . Iwan versteinerte. Seine Fäuste ballten sich ganz von selbst.
    Violetter Staub. So lief also der Hase.
    »Von woher, sagtest du?«, fragte er den Mann und packte ihn am Kragen.
    Er sah die Angst in seinen Augen und holte aus.
    Iwan! Nicht!
    Zu dritt zogen sie ihn von dem dur -Händler weg. Dann schlugen sie ihn zusammen. Iwan spürte, wie auf seiner rechten Seite Rippen brachen. Man führte ihn in einen Raum und warf ihn auf eine Pritsche. Er streckte sich aus und drehte sich zur Wand.
    Ich bin tot, dachte Iwan.
    Der Skinhead nimmt das Gerät in die Hand und schaut aufs Display.
    »Tom Waits«, liest der Oberführer laut. »Stimmt, den gab es ja auch mal.«
    »Blues«, sagt Kossolapy. Es ist sein CD-Player.
    »Ja, Blues.«
    Der Oberführer und Kossolapy nicken einander einmütig zu.
    Ich wusste, dass sie gut miteinander klarkommen würden, denkt Iwan versonnen. Schade, dass sie sich nie getroffen haben.
    Kossolapy nimmt das weiße Kästchen und drückt auf einen Knopf. Musik setzt ein. Die vertraute Reibeisenstimme singt über eine Samstagnacht und über das warme Licht in einem Straßencafé. Und über eine hübsche Bedienung, wegen der allein es sich gelohnt hat, in dem verwunschenen Nest zu bleiben. Tschüss, Zeit zum Bus zu gehen.
    »In Piter leben und keinen Blues hören, das wäre gerade so, als würde man inTula leben und keine Lebkuchen essen. Oder …« Kossolapy denkt nach. »Als würde man in Tula leben und keinen Samowar besitzen.«
    »Genau. Oder als würde man inIwanowo leben und keine Jungfrau sein. Also deine Vergleiche … alles was recht ist …«
    »Oder als würde man in Tula leben und hätte keine Kalaschnikow im Schrank.«
    »Lebkuchen ist doch was für Weicheier!«, sagt der Oberführer.
    »Und eine Kalaschnikow ist was für Pseudomachos!« Kossolapy überlegt und schnippt mit den Fingern. »Wer ist Präsident? Putin natürlich!«
    »Banal«, erwidert der Oberführer stirnrunzelnd. »Dem kräht doch in Piter kein Hahn mehr nach.«
    »Ihr nervt, Freunde«, sagt Iwan. »Lasst mich endlich schlafen.«
    Er schlägt mit den Fäusten aufs Kissen und vergräbt das Gesicht darin. Plötzlich überläuft ihn ein eiskalter Schauer. Was, wenn ich jetzt aufwache und die beiden nicht mehr da sind? Doch Iwan bleibt trotzig liegen. Das Kissen fühlt sich rau an und riecht nach altem Schweiß.
    »Was hat er denn?«, fragt der Oberführer.
    »Ach, der war schon immer so.« Kossolapy gähnt herzhaft. »Achte nicht auf ihn. Hast du das schon gehört?«
    »Cooler Song«, sagt die Stimme des Oberführers.
    »Da. Hör dir mal das Nächste an …«
    Fanatiker, verdammt, denkt Iwan und muss unwillkürlich schmunzeln. Das Kissen ist inzwischen nass. Es riecht nach Feuchte und Behaglichkeit.
    »Kannst du mir eine Waffe besorgen?«, fragte Iwan.
    Sonis grinste.
    »Logisch. Was hätten wir denn gern?«
    Am Wartungsstützpunkt herrschte immer noch jene feuchte Finsternis, in die sich das gelbe Licht der Karbidlampe zwängte. An der rostigen Fahnenstange hing immer noch der weiße Lappen. Trotzdem hatte sich etwas verändert.
    Iwan hatte sich verändert.
    Als Onkel Jewpat seine Schritte hörte, sah er von seinem Buch auf. Die Brille glänzte.
    »Wieder zurück?«, fragte er lapidar, als wäre Iwan nur ein paar Minuten spazieren gewesen.
    Mit seinem hohlwangigen, runzeligen Gesicht sah Onkel Jewpat steinalt aus.
    »Ja. Hallo, Onkel. Wie geht’s?«
    Iwan setzte sich.
    »Das mit Tanja habe ich gehört«, sagte Jewpat. »Glaubst du, man hat dich verraten?«
    »Niemand hat irgendwen verraten«, entgegnete Iwan. »Ich bin einfach zu spät zurückgekommen.«
    Niemand hat irgendwen verraten, dachte Tanja.
    Es hat sich so ergeben. Die Männer sind fortgegangen.
    Das Meerschweinchen fiept, wenn es Hunger hat. Oder wenn es Aufmerksamkeit möchte. Männer sind so primitive Geschöpfe. Dafür haben sie starke Arme. Männerarme.

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