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Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
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Auge in Auge. Komische Jungs. Sehr verschlossen und fürchterlich geheimnistuerisch. Sie schauten einen nur an und grinsten orakelhaft. Als wären sie mit einem silbernen Löffel im Hintern auf die Welt gekommen, den sie lebenslang mit den Pobacken festhalten müssen.
    »Das ist alles Quatsch«, sagte der Oberführer. »EineMetro-2 als solche hat es in Piter nie gegeben, Professor. Einzelne unterirdische Labors, Luftschutzbunker, Luftabwehrstützpunkte, Sonderobjekte – das ja. Aber keine geheime Metro. Tut mir leid, Prof, aber der Preis geht diesmal an einen Herrn aus Elendski-Kaffskoje hinterm Ural.«
    »Und der Tunnel nach Kronstadt?«, fragte Kusnezow. »Angeblich soll es …«
    »Märchen!«, unterbrach ihn der Oberführer. »Da kann ich ja gleich behaupten, dass es einen Geheimgang zu den Moskowitern gibt. Wir brauchen nur durchzukriechen, dann kommen wir direkt im Schlafzimmer von Zar Achmet heraus. Wir blasen ihm das Licht aus und der Krieg ist vorbei. Totaler Schwachsinn, da sind wir uns doch einig, oder?«
    »Hmm«, machte Iwan.
    Warum eigentlich Schwachsinn?, fragte er sich.
    Außer Sasonows Plan A haben wir also auch noch einen Plan B.
    Bei den Befragungen kam zunächst nichts Vernünftiges heraus.
    »Vielleicht weiß Specht …«, sagte der Mann vom Newski prospekt und stockte.
    Doch Iwan bemerkte sofort, dass der Befragte sich verplappert hatte, und bohrte nach: »Specht? Wer soll das denn sein?«
    Der Mann wand sich. Am liebsten hätte er sich auf die Zunge gebissen. »Ein Philosoph aus der Gegend. So eine Art Dorftrottel. Aber rückt ihm nicht auf die Pelle, das gäbe nur Ärger. Er ist so eine Art Heiliger.«
    »Also ein Narr«, warf Sasonow ein, der hinter Iwan stand.
    »Selber Narr«, entgegnete der Mann giftig. »Er ist ein Prophet. Aber lasst ihn in Ruhe, verstanden?«
    »Verstanden«, sagte Iwan. »Wo, sagst du, finden wir ihn?«
    Die Behausung des Heiligen erinnerte an ein Pharaonengrab. Oder an ein Elsternnest.
    Specht lebte zwischen den Stationen Majakowskaja und Ploschtschad Alexandra Newskowo in einem alten Betriebsraum. Iwan blickte sich um. An der Wand warnte ein Schriftzug: »Halt! Lebensgefahr!« und daneben stand in grünen und roten Lettern das sakrale: »Enigma ist ein guter Mensch TM«. Dieser zweite Spruch war in der ganzen Metro allgegenwärtig. Der Legende nach stiegen die allerersten Digger – noch vor der Katastrophe – heimlich in die Metro hinab, um diese Ehrenbezeigung für den Urdigger überall zu verewigen. Gejagt wurden sie dabei von den Montern, den Dienern des Urmonters. Na ja. Auch wieder so ein Märchen. Iwan seufzte.
    An einem Gitter, das über verrosteten Messgeräten angebracht war, hingen auf eine Schnur gezogene Kronkorken und Girlanden aus Münzen, außerdem allerlei Krimskrams aus Folie, Steinen und Glas.
    Der Prophet saß in einer Ecke auf einer durchgelegenen Matratze. Es roch ganz annehmbar in seinem Quartier – offenbar wusch dem Heiligen jemand die Wäsche.
    Auf einem kleinen Tischchen vor ihm stand ein Spiritusbrenner. Die bläuliche Flamme züngelte und ihr Lichtschein tanzte an den Wänden.
    Specht sah auf. Sein Haar war zu Zöpfchen geflochten. Er musterte Iwan und blinzelte argwöhnisch.
    »Du wolltest zu mir?«
    »Ganz recht«, bestätigte Iwan.
    Er setzte sich zu ihm und hielt die Hände an die Flamme des Brenners. Die Wärme tat gut. Dann griff Iwan ohne Eile in seine Tasche und holte eine Flasche heraus: Selbstgebrannter von der Wassileostrowskaja , angesetzt mit Shiitakepilzen. Ein Killergesöff.
    Der Anblick des trüben Elixiers vertrieb augenblicklich jeden Argwohn aus dem Gesicht des Propheten.
    »Ein Mensch«, sagte Specht inspiriert. »Fürwahr, ein Mensch.«
    »Amen«, erwiderte Iwan und öffnete die Flasche. »Hast du irgendwo Gläser, heiliger Mann?«
    »Was für eine Frage! Selbstverständlich.«
    »Die Metro ist überhaupt ein Monster«, dozierte Specht. »Die Menschen haben das immer noch nicht verstanden. Denkst du etwa, wir hätten den Krieg gewollt? Nein, mein Junge. Und du, wolltest du den Krieg?«
    »Natürlich nicht. Das heißt, ich war damals erst fünf oder sechs.«
    »Und ich wollte ihn auch nicht. Verstehst du jetzt?« Specht sah Iwan an, als erwartete er eine richtige Antwort von ihm. So wie ein Lehrer einen Schüler ansieht, bei dem zwar im Prinzip Hopfen und Malz verloren sind, der aber ab und zu doch mal einen Geistesblitz hat. »Na, fällt der Groschen?«
    »Noch nicht so ganz.«
    »Niemand wollte den Krieg.

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