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Pittys Blues

Pittys Blues

Titel: Pittys Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Gaebel
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Malerei
machen.»Sie wandte ihren Kopf und sah Moe direkt an.«Gibst du mir auch eins?»
    Moe griff in den Eimer, öffnete die Flasche und gab sie Tulipe. Er setzte sich neben sie und schaute auf das Bild.«Weißt du, eigentlich ist es gar nicht so übel. Ich habe zwar nicht die geringste Ahnung, was es zeigen soll, aber es hat schöne Farben, das ist mal sicher.»Tulipe nickte und legte ihren Kopf auf seine Schulter.
    So verharrten sie eine Weile, bis Tulipe ihren Kopf hob und aus dem Fenster sah.
    «Schau mal, es schneit immer noch. Das ist ja ein Ding! Was macht denn Jones draußen auf dem Steg?»Sie stellte diese Frage weniger Moe als sich selbst. Der Schnee konnte die Sinne täuschen, das wusste sie. Aber es war unverkennbar der alte Jones, der gerade dabei war, so mühsam aufzustehen, als habe ihn seine Gicht wieder am Haken.
    Schnee. Sie hatte gehofft, nie wieder Schnee zu sehen. Sie war jung gewesen, damals. Bei ihren Eltern hatte sie gewohnt, in diesem kleinen Drecksloch. Alles war in Bewegung gewesen und schien mit den ersten Schneeflocken zu erstarren. Ihr Vater hatte sein Bein verloren, bei einem Sägewerksunfall Jahre zuvor, sie hatten nichts zu beißen, und ihre Mutter musste sie alle durchbringen. In einer kleinen Hütte führte sie die Damen aus gutem Haus aus deren ganz persönlicher Bedrängnis. Auf ihre ganz persönliche Art und Weise. Nie hätte Seraphine, so hieß Tulipes Mutter, sich träumen lassen, dass eines Tages ihre eigene Tochter vor ihr stehen könnte, mit
genau demselben Problem wie all die wohlhabenden, blassen Ladies. Sie fragte nicht nach.
    Schweigend hatte sie gearbeitet, Tulipe spürte mit dem Weiß, das sie vor der Tür sah, den Schmerz wiederkehren. Seraphine hatte Vorsicht walten lassen, hatte ihrer Tochter eine großzügigere Dosis gegeben, als sie allen anderen zu geben bereit gewesen war. Dann hatte sie langsam die Beine ihrer Tochter auseinanderzudrücken versucht, aber Tulipe presste sie mit aller Kraft zusammen. Sie hatte Angst, so große Angst, dass sie vergaß, wer da versuchte, zwischen ihre Beine zu kommen. Es war zu einem Reflex geworden in den letzten Monaten.
    Halt die Beine zusammen, vielleicht versucht er es dann nicht weiter, vielleicht verliert er die Lust.
    Sie wusste es besser, sie hatte keine Chance.
    Es war nicht annähernd genug Betäubung gewesen, um die Erinnerung auszulöschen. Die körperlichen Schmerzen wie durch eine Milchglasscheibe neben sich zu sehen, dazu hatte es gereicht. Das Herz aber sah durch alles Unscharfe hindurch, direkt dahin, wo das Morphium nicht hinkam.
    Seraphine ließ alle spüren, was sie tat, sie mussten merken, dass sie etwas Unrechtes begingen, auch ihre Tochter. Und nur für den Fall, dass sie sich dessen nicht bewusst waren, sorgte sie dafür, dass sie zumindest körperlich büßten. Der Herrgott war mit Sicherheit ihrer Meinung und verzieh ihr ihre Grobheit. Es interessierte sie nicht, wo sich ihre Älteste den Bastard eingefangen hatte, aber wenn sie schon mal da war, wollte sie auch
dafür sorgen, dass er verschwand. Also gab sie ihrer Tochter eine Ohrfeige, dass es nur so knallte. Und, als habe sie einen Hebel umgelegt, gingen die Beine auseinander. Tulipe spürte, wie ihre Mutter sie ausräumte, das schmatzende Geräusch, wenn sie durch das Blut wieder in sie hineingriff, sie sah ihre Bauchdecke, die sich durch Seraphines Handbewegungen wölbte und dann wieder in sich zusammenfiel. Sie wollte es sehen, sie wollte sich erinnern, sie wollte, dass nichts je wieder gut werden würde.
    Seitdem hatte Tulipe Seraphine nicht mehr gesehen. Weder sie noch ihre Geschwister oder ihren Daddy. Sie war gegangen, sobald sie wieder gehen konnte. Und nach einigen Wochen war sie hier in Rickville gelandet.
    Moe war der Einzige, der das wusste. Und auch er sah jetzt aus dem Fenster und erinnerte sich, wie er Tulipe damals kennengelernt hatte.
    Er sagte:«Es ist nicht mehr so kalt wie damals.»Tulipe verstand, dass er nicht das Wetter meinte. Die Dinge hatten sich geändert. Moe nahm einen Schluck aus der Flasche und stand auf.«Weißt du, irgendwann verschwinden die Dinge. Komm mit nach draußen. Scheiß auf die Bilder, die können wir morgen auch noch aufhängen. »Er nahm ihr die Flasche aus der Hand, stellte sie mit seiner zusammen auf einen der Tische und zog sie vor die Tür.
    Moe und Tulipe waren damals so etwas wie Außenseiter. Er, weil er den Abfall nicht mochte, und sie, weil sie eine Zugereiste war. Das wog schwer in der Meinung

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