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Pittys Blues

Pittys Blues

Titel: Pittys Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Gaebel
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Jahre. Meine Güte, Jones!»
    Jones setzte an, etwas zu sagen, holte Luft, besann sich aber gleich wieder. Seine Augen füllten sich mit Tränen.
    Er konnte nicht mehr essen. Nach einer Ewigkeit stand er auf und ging zum Herd, kontrollierte, ob das Gas abgedreht war.
    Pitty tat sich, während sie kaute, noch einen Nachschlag auf. Sie ließ sich durch das Schweigen der Männer nicht beirren und haute jetzt mächtig rein, beruhigt, dass das Geheimnis gelüftet war.
     
    Die restliche Mahlzeit verbrachten die drei schweigend. Jeder hing seinen Gedanken nach.
    Nachdem sie aufgegessen hatten, stand Dick auf, räumte den Tisch ab und bedeutete Pitty und Jones mit einer Kopfbewegung, sie sollten sich aufs Sofa setzen. Die beiden taten, wie ihnen geheißen, und warteten.

    Pitty hatte die beiden Männer beobachtet und erkannt, dass Dick nun alles wusste, dass Jones sich ihm anvertraut hatte. Und so saß sie auf dem Sofa, kerzengerade, die Beine nebeneinander, die Hände in ihrem Schoß gefaltet, den Blick auf Dick gerichtet, innerlich die Arme nach ihm ausgestreckt.
    Jones stand wieder auf, ging zum Kamin, legte noch einen dicken Scheit nach, der das Feuer auflodern ließ, kam zurück, setzte sich und stierte in die Flammen.
    Dick fuhrwerkte in der Kochnische, spülte das Geschirr ab, ging in sein Schlafzimmer, kam wieder heraus, wanderte umher.
    Für Pitty dehnte sich die Zeit, bis er sich endlich aufs Sofa setzte, nur um sofort wieder aufzustehen, wieder ins Kücheneck zu gehen und mit Wassergläsern und einer Flasche Whiskey zu ihnen zu kommen und sich hinzusetzen. Sie wandte den Blick von Dick ab und sah in die Flammen, sah, wie das Feuer sich weiterfraß, wie es nach dem trockenen Holz langte, so wie sie nach Dick.
    Er reichte ihr eines der halb gefüllten Gläser, schob das zweite mit Schwung an die Tischkante in Jones’ Richtung und, ohne ihnen zuzuprosten oder sie anzusehen, trank er es mit einem großen, gierigen Schluck aus. Jones rührte sein Glas nicht an, stand auf, ging zum Kamin und warf wieder einen dicken Scheit ins Feuer, dass die Funken stoben.
    Dick beugte sich zu Pitty vor und gab ihr einen flüchtigen Kuss.
    Jones blieb vor dem Kamin und starrte in die Flammen. Er bemerkte nicht, dass Dick zu ihm ging. Erst als
der Jüngere ihn leicht am Arm berührte, ließ er von den Flammen ab und richtete seine Aufmerksamkeit auf Dick. Der suchte in Jones’ Blick nach einem Vorwurf, nach dem Vorwurf, den Tod des einzigen Kindes verschuldet zu haben, das Jones je gehabt hatte. Aber Jones’ Blick war klar und voller Zuneigung. Er sah ihn nicht anders an als bisher. Er machte Dick keinen Vorwurf, er dachte nicht, dass Dick an Elliots Tod schuld sei.
    Jones und Dick kamen zurück und setzten sich.
    Jones beugte sich zu Dick vor:«Was willst du wissen? »
    Dick holte Luft und prustete sie durch aufgeblähte Wangen wieder aus. Er griff nach Pittys Hand und hielt sie fest.«Erzähl.»
    Und Jones erzählte. Er erzählte, wie Lilly ihn schon beim ersten Treffen bezaubert hatte, er aber zu schüchtern war, sich ihr zu nähern. Völlig natürlich für einen zehnjährigen Jungen, er hätte sich vor seinem Freund Gene lächerlich gemacht. Er erzählte, wie sie heranwuchsen, drei Kämpfer für die Gerechtigkeit. Er erzählte, dass Lilly das einzige Mädchen war, das sich traute, vom großen Ast der Uferweide in den Fluss zu springen, und dabei aussah wie ein Engel, aber brüllte wie ein Teufel. Er erzählte, wie ihm zum ersten Mal diese Blicke zwischen Lilly und Gene aufgefallen waren. Er erzählte viele Dinge, von denen Dick nichts wusste.
    Er erzählte von ihrem warmen, pudrigen Duft, wie sie sich zögernd aus seiner freundschaftlichen Umarmung gelöst und ihn angesehen hatte. Er hatte sich nicht mehr beherrschen können und ihr einen Kuss gegeben,
diesen bestimmten Kuss, den er ihr schon Jahre zuvor hatte geben wollen, den er ihr so oft hatte geben wollen, der ihm immer noch auf den Lippen lag, immer wenn er sie sah, immer wenn er an sie dachte. Wie sie in ihm verschwand. Und wie er wuchs. Dass er immer Angst hatte, sie zu erdrücken, so fest hielt er sie. Dass er sie immer festhalten wollte.
    Sie. Dicks Mutter. Lilly. Seine große Liebe.
    Als sich Jones’ Blick wieder klärte und es ihn zurück ins Jetzt zog, tat ihm alles weh.
    Und zu dem Schmerz kam der Verlust.
    Jones erzählte weiter von seiner Liebe zu Lilly, davon, wie sie sich vorsichtig einander genähert hatten, wie sie sich ineinander verliebten, wie sie im

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