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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Bentner für sich.
    »Aber kommen Sie doch in die Küche. Ich schaue mal nach.«
    Sie begleitete ihn, holte eine Tasse aus dem Schrank, wies auf die Kanne: »Bedienen Sie sich doch bitte. Einen Moment.«
    Man durfte das Angebot nicht ausschlagen. Frau Maugk auf der Treppe, ihr Schritt klang leicht, nicht hastig, aber mühelos. Klopfen, ein »Herr Sarkovy?« mit sehr dünnem Fragezeichen, das Drücken einer Türklinke, endlich wieder die Schritte auf der Treppe.
    »Er ist noch nicht zurück. Ein Stück Kuchen? Aufgetaut …«
    Bentner lehnte dankend ab, hatte sich auch nur einen Schluck Kaffee eingeschenkt, lauwarm, aber stark.
    »Ich hätte ihn vorher anrufen sollen. Dumm von mir.«
    »Nein, nein«, sagte Frau Maugk, »Das ist ungewöhnlich, dass er nicht da ist. Aber Herr Sarkovy ist schließlich erwachsen.«
    Kokettes Zwinkern, man verstand sich. Frau Maugk wartete auf Bentners Hand, nahm sie, ließ sie sofort wieder los, sagte: »Ah! Moment!«, drehte sich um.
    Bentner folgte ihr. Sie klopfte an die Tür, die der Küche gegenüberlag. Sagte wieder »Herr Sarkovy«, kein Fragezeichen. Drückte die Klinke, öffnete die Tür, streckte den Kopf ins Zimmer.
    Hier arbeitete Michael also. Man sah einen kleinen Schreibtisch, auf dem ein Laptop stand, nicht mehr das neueste Modell.
    »Ich brauche dieses Zimmer ja nicht, und bei Herrn Sarkovy wurde es immer voller. Seine Vasen …«
    Ach ja. Michael sammelte Porzellan, noch nicht lange, man machte so etwas irgendwann einfach, er hatte davon erzählt und niemanden hatte es interessiert.
    Wieder im Freien setzte sich Bentner in sein Auto, fuhr es zwanzig Meter weiter, schaltete den Motor ab und wartete. Auf was.

    Auf was. Ohne Fragezeichen. Auf jemanden, der kommen, auf jemanden, der gehen würde. Und endlich läuteten Glocken, weil es viertel vor zehn war, und Frau Maugk trat ins Freie, strich ihr Pelzimitat am Mantelkragen glatt, rückte den Hut zurecht und ließ den Hausschlüssel in die Handtasche fallen.
    Bentner wartete fünf Minuten. Er ging zum Haus, klingelte. Trat ein paar Schritte zurück, sah hoch, als kontrolliere er die Fenster, alles für die Nachbarn. Dann ging er ums Haus.
    Es gab eine Kellertür, altes wurmstichiges Holz, man würde sich nur einmal dagegenstemmen müssen, aber nein, eine andere Idee. Der Schlüssel steckte im Gartentor, einer schmiedeeisernen Scheußlichkeit, und Bentner dachte zurück an seine Kindheit, sein Elternhaus, den Garten. Eine ähnliche Konstruktion war das gewesen, billige Schlösser mit Standardschlüsseln, rostige Dinger mit simplen Bärten. Sie passten praktisch überall. Er zog jetzt den Schlüssel aus dem Gartentor, probierte ihn an der Kellertür, ein wenig Gewalt. Der Schlüssel ließ sich drehen, klemmte. Bentner zog die Tür zu sich heran, versuchte es noch einmal, drehte mit Gefühl, dann ohne, es ächzte pro forma und das morsche Holz wich knarrend zurück.
    Sarkovy hatte nie etwas von Computern verstanden. Er bediente sich ihrer, so wie sich ein absoluter Herrscher seines Volkes bediente und schockiert war, wenn es nicht mehr funktionierte. Ein bisschen Plastik, ein bisschen Elektronik, beherrschbar. Natürlich hatte Michael nicht alle seine Spuren verwischt, weil er nichts von ihnen ahnte. Die Webordner erzählten ihre Geschichten, die Cookies lieferten die Schlüssel für verbotene Türen, goldenesBlut hatte sich bei einigen Gelegenheiten eingeloggt, in Kinderchats, in Diskussionsforen. Aber nach Layla-Annes Tod nicht mehr. Eine Zeitlang war Sarkovy inaktiv geblieben, hatte seinen Laptop für Geschäftliches genutzt, Briefe und Konzepte, Statistiken, Memos. Sich dann unter ständig wechselnden Nicks wieder auf die Pirsch begeben.
    Ordner mit unzähligen Bildern begehrter Objekte aus dem weißen Gold, Porzellan mit klassischen Formen und Mustern, Ordner mit Bildern von Objekten anderen Begehrens, klassische Nymphen ohne Kopf, halb entwickelt, noch gar nicht entwickelt, eine davon musste Layla-Anne sein, wenn Michael ihr Foto nicht in einem Anflug von Panik, vielleicht sogar Selbstekel gelöscht hatte. Nichts weiter wohl als ein Handypic, im Hintergrund die mit Starpostern tapezierten Wände oder das Bett oder ein Stuhl mit den schnell darüber geworfenen Kleidern oder ein Regal mit Büchern, Teddybären, Puppen, Krimskrams.
    Ein weiterer, sinnigerweise »Lockbilder« benannter Ordner barg Fotoserien von jungen Männern ebenso wie von jungen Mädchen, reiferen Frauen auch, Menschen, die brav in die Kamera

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