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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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mit sechs von ihrem Stiefvater vergewaltigt worden, hast du eine Ahnung, was das heißt? Okay, ich sag’s dir mal im Klartext: Ein alter Perverser stößt einem kleinen Mädchen seinen dicken Schwanz in die viel zu enge Vagina. Stell dir mal vor, dir hätte das als Sechsjähriger ein Kerl im Arsch gemacht. Deutlich genug? Macht keinen Spaß, nee. Und der Kerl bringt sich später auch noch um, als der Arzt, der gerade Alinas Vagina wieder zusammengeflickt hat, die Polizei ruft, und auf der Beerdigung werden schöne Reden gehalten, treusorgender Familienvater pipapo, und ist natürlich von dem kleinen Mädchen gereizt worden, kann doch gar nicht anders sein, und das sagt dir selbst mal die Mutter ins Gesicht, als du mit 14 dann zum ersten Mal freiwillig mit einem Jungen schläfst, dass du schon immer eine Hure warst und ihr den Mann weggenommen hast und schuldig bist und überhaupt den Verstand zwischen den Beinen.«
    Sie kurbelte das Fenster nach unten, schnippte die halb aufgerauchte Zigarette in die Dunkelheit, wo leichter Nieselregen eingesetzt hatte, es aber um ein paar Grad zu warm war, um zu gefrieren. Kurbelte das Fenster wieder hoch, öffnete die Tür, hielt ihren Kopf in den Regen, drehte ihn dem Himmel zu, zog ihn zurück, knallte die Tür ins Schloss, griff nach der Zigarettenpackung auf dem Armaturenbrett. Bentner ließ sein Feuerzeug klicken. Lisas Gesicht war rot und nass, keine Chance, zwischen Tränen und Regen zu unterscheiden.
    »Ich weiß ja selber, dass es schön ist, eine Moral zu haben. Macht das Leben einfacher. Und Kausalitäten, pff! Vergiss es einfach. Viel zu kompliziert, da gibt’s ja kein Töpfchen für, wo’s reinpasst. Man ist so, wie man geworden ist, nix Gut und Böse oder Recht oder Unrecht und so geht das weiter, blickt doch kein Schwein mehr durch. Aber was rede ich da. Du begreifst es nicht. Soll ich das buchstabieren? Du programmierst einfach in deiner verfluchten Spießigkeit und kennst niemanden und weißt nicht, wie das ist, wenn man das immer mit sich rumträgt, und dann macht man Sachen, die sind so bescheuert, so unglaublich bescheuert, dann geht man abends in eine Kneipe, wo die alten geilen Männer sitzen, und dann lässt man sich von drei von denen in den Park fahren und durchficken und hat keinen Schimmer, warum eigentlich, oder man nimmt sich ein Jungchen von 13 ins Bett, so einen aufgeregten und zitternden Kerl, und entjungfert den, sagt ihm, was er machen soll und er macht’s, und anschließend kotzt man und drückt sich ’ne Kippe auf dem Arm aus und dann geht man zurück zu dem Jungen und knutscht ihn lieb ab wie ein Baby. Und dann kommt einer wie du mit Moral und Recht und Unrecht und Ursachewirkungscheiß und Logik, ergebnisorientiert, so heißt das doch? Bloß nicht drüber nachdenken, warum jemand so ist, wie er ist, nee, bloß nicht, halt dich zurück, du hast eh keinen Schimmer, was dahintersteckt, und ist ja auch Scheiße und alles, und das steckt halt in dir drin und wenn du könntest, würdest du doch auch deine Anna flachlegen, uh Mist, sorry, aber stimmt doch und nachher würdest du dich bedauern, ach, leck mich doch am Arsch!«
    Sie hatte ihm die letzten Worte ins Gesicht geschrien, das zum Küssen oder Reinschlagen nah war und kein Nieselregen mehr darauf. Sie heulte und rotzte, Bentner wollte etwas tun, wusste nicht was, küssen oder prügeln, den heißen Kopf zwischen die Handflächen nehmen und liebkosen oder zudrücken, Lisa an sich ziehen, sanft drücken oder ersticken. Die aber hatte schon die Tür geöffnet, die Beine hinaus geschwungen, hielt inne, griff in die Tasche ihres Mantels, fummelte ein Handy hervor, sagte in die Dunkelheit, in den Regen hinein: »Ich bin mit dem Taxi gekommen
und hau auch mit dem Taxi wieder ab«, stieg aus, pfefferte die Tür zu und huschte als ein dunkelgrauer Schatten an der noch immer beschlagenen Windschutzscheibe vorbei ins Nichts.
    Bentner blieb sitzen und fuhr mit der flachen Rechten über das warme Polster neben sich.

    Ein Morgen nach einer schlaflosen Nacht ist gar keiner. Bentner hatte lange am Fenster gesessen, dann seinen Rechner hochgefahren, sich in die Tiefen der Pixity-Programmierung begeben und jenes kleine Skript deaktiviert, das es ermöglichte, durch einen Klick auf den Login-Button die Stadt zu betreten. Ganz simpel. Man tippt zwei Striche vor eine einzige Zeile Code und schon bleibt die Stadt menschenleer. Wer in ihr ist, befindet sich plötzlich im Nirwana, auf einer Seite, die sich für

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