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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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einen Serverfehler entschuldigt und darum bittet, es später noch einmal zu versuchen. Verbindungsprobleme.
    Wenigstens hatte er Hunger. Der Kartoffelsalat mit den Würstchen, nein, schlecht zum Frühstück, aber Toast und Eier und Butter und Marmelade und Käse, er aß es ohne Tischkultur, krümelte, schlang, schmatzte, rülpste zum Abschluss.
    Nein, nicht Pixity, nein, kein Skript, das man einfach ausschaltete. Aber die Stadt, durch die er fuhr, war wirklich menschenleer. Ein paar Autos, die ihm entgegenkamen, ignorierte er oder sah nicht hin, bemerkte nicht die Fahrer, die Autos fuhren wohl von selbst, ferngesteuert. Es regnete noch immer, schon seit einigen Stunden stärker und ausdauernd.
    Es war wie früher, alles war wie früher. Er betrat das Bürogebäude und wusste, dass er der erste sein würde, niemand vor ihm gekommen war. Im Flur roch es nach verbrauchter Luft, nach heiß gewordener Elektronik, die Fenster waren zu und blieben es.
    Auf Almuths Sinn für Ordnung war Verlass. Das Buch, in das sie die Sitzungsprotokolle notierte, lag in der obersten Schublade ihres Schreibtischs, kantengenau auf seinem vollgeschriebenen Vorgänger. Die Aufzeichnungen allerdings waren Stenogramme, bis auf die Überschriften, »Sitzungsprotokoll von dann und dann«. Bentner fuhr Almuths Rechner hoch, las, während der bootete, in den fremden Zeichen, entzifferte wie erwartet nichts, las dennoch versunken in den Hieroglyphen, der Rechner war längst hochgefahren und wartete auf die Eingabe des Passworts.
    Genau 328 Mails an den [email protected] waren in den letzten beiden Stunden ins Postfach eingeflogen, man brauchte keine davon zu öffnen, um zu wissen, dass sie nach Gründen für die mysteriöse Quarantäne fragten, die über Pixity verhängt worden war. Pixity, die Geisterstadt im Internet, Pixity, wo sich einst die Kinder trafen und zu Erwachsenen wucherten, Pixity, das so lange seinen Dornröschenschlaf halten würde, bis ein panischer Programmierer auf Fehlersuche ginge und, endlich fündig geworden, das Menschenblut in die Adern der Stadt zurückpumpte. Das konnte dauern. Es war schließlich Weihnachten.
    Und wieder lobte Bentner Almuths Verlässlichkeit, ihren Fleiß, was du heute kannst besorgen, das erledige am besten schon gestern. Der Ordner »Sitzungsprotokolle«, darin auch die Reinschrift der letzten Zusammenkunft, und nein, sie hatte jene neckischen Passagen nicht ausgelassen, wortwörtlich und komplett wiedergegeben. Bentner las, fand, was er suchte, druckte sich das Protokoll aus, fuhr den Rechner runter, legte das Buch zurück in die Schublade – gewiss nicht so akkurat, wie es Almuth zu tun pflegte, aber vielleicht fiel es ihr nicht auf, ach, es war egal, völlig egal – und verließ das Büro, das Gebäude, ein Blick noch in den Rückspiegel und diesen Blick sofort im Gedächtnis vergraben, eine Kostbarkeit, an die man sich später erinnern würde, als betrachte man eine nostalgische Fotografie. Es regnete noch immer und die Fotografie würde unscharf sein, von Wasserschlieren durchschlängelt, von angehauchtem Glas erdrückt.
    Es gab nur eine Klingel, was einigermaßen ungewöhnlich war. Bentner drückte auf den Knopf und wartete, in einem Raum des Erdgeschosses brannte Licht. Etwas bewegte sich hinter dem Milchglas, ein Schlüssel wurde gedreht.
    »Ja, bitte?«
    Über siebzig war sie, eine kleine Frau, die sich bei der Wahl, ob sie freundlich oder verbittert sterben wolle, für ersteres entschieden hatte. Frau Maugk.
    »Verzeihung, Bentner …«
    »Ah«, sagte sie, »Sie sind mir doch gleich so bekannt vorgekommen.«
    Hatten sich doch nur einmal kurz gesehen, auch schon wieder Jahre her, waren grüßend an ihr vorbei die Treppe zu Michael hoch. »Bringt meiner Vermieterin ein paar Blümchen mit, das fällt dann positiv auf mich zurück«, und er hatte gegrinst, aber noch nicht »grinsel« gesagt. Richtig. Bentner erinnerte sich. Er hatte Frau Maugk das Sträußchen überreicht, Alina es besorgt.
    »Mach du mal. Eine Dame freut sich über die Blumen eines Herrn mehr.«
    »Ich wollte … ist Herr Sarkovy zu Hause? Die dummen Geschäfte, ich bräuchte dringend eine Unterschrift.«
    Klopfte sich demonstrativ an die Jackenbrust, in der kein Brief war.
    Frau Maugk nickte wissend, machte den Weg frei, bat mit einer beiläufigen Geste, näher zu treten, sagte »tja …«, und schien für einen Moment unschlüssig.
    »Er ist wohl gestern Abend noch einmal weg.«
    … ohne mir was zu sagen, ergänzte

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