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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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zurück, ließ sich an der Bar einen Gesundheitscocktail servieren. Ein Junge setzte sich neben sie. »Na, war geil mit dem typen eben? Was habts denn gemacht? CS?«
    Mit einigen Ausdrücken hatte Bentner anfangs Probleme gehabt. CS war einer davon. Es hatte aber nicht lange gedauert, um das Kürzel als Chatsex oder Cybersex auszuschreiben, genauso wie eine bf die beste Freundin war, eine sis eine Schwester, bb bis bald, die addy die E-Mail-Adresse, adden das Hinzufügen zu einer Chatkontaktliste. Bentner checkte Janas interne Mailbox. Jede Menge Anfragen. Hast icq? Oder msn? Willst ma pic von mir sehn? Gib deine addy und ich schick dir eins. Kannst mir eins zurückschicken wennst magst.
    Aber es war vor allem die Sprache, die einen Fake überführte. Einen Mann gesetzten Mittelalters etwa, der herausgefunden hatte, dass es bequemer und billiger war, mit einer Dreizehnjährigen zu chatten als ins Puff zu gehen und einer lolitarisierten Dreißigjährigen beizuwohnen. Die Orgasmen waren vergleichbar intensiv. Er hatte auch versucht, sich den Slang der Jugendlichen anzueignen, doch es funktionierte nicht. Etwas in ihm, der allgegenwärtige Deutschlehrer seiner Jugend vielleicht, saß in seinem Sprachzentrum und ekelte sich vor Abkürzungen, verschluckten Konsonanten oder verstümmelten Sätzen aus misshandelten Wörtern. Manche waren auch einfach nur dumm. Sie schrieben wie minderbegabte Autoren seichter Liebesromane, legten Zwölfjährigen romantische Schachtelsätze in den Mund, pflegten den Konjunktiv wie ein akkurates Blumenbeet. Das war leichte Beute für Bentner. Ein simpler Klick und von den Rechnern der Fakes würde sich nie mehr ein crazybooy, eine liiiiiiine_12 oder ein superkerl einloggen können. Sie mussten sich neue PCs und Laptops kaufen, um wieder im Geschäft zu sein.
    Am Lächerlichsten für Bentner war es jedoch, wenn zwei Fakes aufeinandertrafen. Einer, der sich ein junges Mädchen – pussycat etwa – angeln wollte und als joe_cool auftrat, einer, der als pussycat den kleinen joe_cool mit allerlei Neckereien zum Griff in die Hose zu veranlassen gedachte. Ihnen sah Bentner mit fast diabolischer Heiterkeit zu, lauschte ihren leicht durchschaubaren Dialogen, in denen sie sich bemühten, keines der indizierten Schweinewörter zu schreiben. Und wenn doch – Bentner gestattete es. Sie trieben sich bis zum Höhepunkt, doch bevor der kam, schnitt ihnen der amüsierte Wächter das Wort ab und schmiss sie gnadenlos aus dem Chat.
    Heute war nicht der Tag für solche Spielereien. Bentner ließ seine Lockvögel durch die Räume stromern, in einem Schulzimmer zur Ruhe kommen, wo sie multimedial über Dreiecksberechnungen informiert und von niemandem gestört wurden. Langsam füllten sich die Räume, es wurde offen gesprochen oder diskret geflüstert, so dass nur der Adressat lesen konnte, was man ihm raunte. Zwei tölpelhafte Fakes gingen den Weg aller Dummheit und verschwanden auf Nimmerwiedersehen. Ein 12-jähriges Mädchen, das Rick seine Mailaddy aufdrängte, wurde ebenfalls aus dem Verkehr gezogen, bevor es unter die Räder kommen konnte. Halb elf, erst.
    Eine Tür wurde zugeknallt, das Wort »Arschloch« hallte durch den Flur. Für einen Moment ruhte die Arbeit auf der Etage, dann ging sie weiter. Der übliche Wutausbruch Alinas, wenn sie es nicht vermeiden konnte, Weidenfeld zu begegnen, und sich zwangsläufig an einen Konferenztisch mit darauf bebenden Körpern erinnerte. Sie sei aus Rache lesbisch geworden, erzählte man sich, schleppte junge Mädchen aus dem   Taco’s   ab, was Rigo nicht ungern sah. Ein Lesbenlokal fehlte in der Stadt und wäre eine lukrative Marktlücke. Auch Praktikantinnen wurden auf ihre Eignung als Gespielin ausgesucht, wobei Alina und Claus Weidenfeld glücklicherweise den gleichen Geschmack bewiesen und wenigstens auf diesem Feld die Konfrontation ausblieb.
    Mittag. Der Parkplatz, den Bentner von seinem Fenster aus überblicken konnte, wurde leerer, Michael und Alina fuhren gemeinsam weg, was eine neue Volte der großen Intrige vermuten ließ. Weidenfeld würde ein härterer Brocken sein als Gorland und Bentner, Sarkovy war zumal von jener unverbindlichen Flexibilität, die ihn zu einem gefährlichen Komplizen machte. Er konnte mit Alina zusammen an Weidenfelds Stuhl sägen und am Ende wäre es Alina selbst, die auf die Schnauze fiel. Spannend, dachte Bentner, nur schade, dass es mich nicht interessiert.
    »Soll ich dir was mitbringen? Pizza? Gyros? Bratwurst mit Pommes und

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