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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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in C-Dur, jemand lachte die Tonleiter rauf und runter. Lisas Büro war noch abgeschlossen und Bentner dachte mit Grauen an die Aktion des Schlossaustauschs, er würde anrufen müssen, irgendwie den Schlüssel … er besaß ihn aber nicht, dumm gelaufen, also hatte sich alles schon erledigt und würde seinen Lauf nehmen, welchen auch immer.
    »Sorry«, sagte Lisa am Telefon, »ich komme später, bin grad bei dieser Firma wegen dem Schloss, du weißt schon. Geb denen den Schlüssel und heut Abend ist alles geritzt, den neuen Schlüssel geben die bei der Nachbarin ab, die weiß schon Bescheid. Bis dann, kann später werden.« Und hatte aufgelegt.
    So einfach also konnten die Dinge manchmal sein. Er bereute, Lisa nicht gebeten zu haben, ihm etwas zum Frühstück mitzubringen. Er tröstete sich damit, dass sie es von selbst tun würde, zog seine Jacke aus, schaltete den Rechner an, nahm die Kaffeekanne, Wasser holen und vorher Wasser lassen.
    Als er zurückkam, saß Alina an seinem Platz und paffte durchs geöffnete Fenster. Alles trauerte an ihr. Das Kostüm, die Nylons (die Nähte trauerten besonders schwarz), die flachen, sehr eleganten Schuhe, das Haar glänzte frisch in einem Schwarz, als sei das Licht noch nicht erfunden worden.
    »Das Büro war offen, ich dachte …«
    Unvollständiger Satz. Sie zertrümmerte die Kippe im Aschenbecher, stand auf und drückte Bentner ein Schatzilächeln aufs Auge.
    »Bleib ruhig sitzen.«
    Sie setzte sich wieder.
    »Die Beerdigung findet nach Weihnachten statt, in Gütersloh, da wohnt ja seine Mutter. Ich fahre für die Firma hin, wer mitkommen will, kann das natürlich.«
    Urnenbegräbnis, dachte Bentner.
    »Urnenbegräbnis«, sagte Alina. »Ich habe die letzten Tage oft dran gedacht, wie es früher war, du weißt schon. Wir waren einfach ein geiles Team, gell?«
    »Wir waren ein geiles Team«, sagte Bentner, Betonung auf »waren«.
    Alina versuchte sich an einem traurigen Lächeln.
    »Wir gehen einfach mal wieder zu Rigo und lassen uns so richtig zulaufen, Michael und du und ich. Wär das verkehrt? Nach Claus’ Beerdigung? Oder sollen wir Silvester miteinander feiern?«
    Bentner versuchte sich an einem unbestimmten Nicken.
    »Wir werden sehen«, sagte er, stand noch immer mit der Wasserkanne in der Hand da, traf keine Anstalten, Kaffee zu kochen, sich hinzusetzen. Alina erhob sich.
    »Überleg dir das. Ich rede mal mit Michael.«
    Sie setzte sich wieder, suchte seinen Blick, hielt ihn fest, schlug ein Bein über das andere, der Rock bewegte sich, genau kalkuliert.
    »Das mit Olivia tut mir leid. Fand die ganz nett. Und ihr habt zusammengepasst. Doch. Was macht sie jetzt so?«
    Bentner sagte es ihr wie die Lautsprecherstimme auf dem Bahnhof die Abfahrtszeiten.
    »Oh«, machte Alina, »hoffentlich … na ja. Also«, und stand wieder auf.
    Abgang, ein Lächeln streifte Bentner, kein Schatzilächeln diesmal, kein trauriges, kein melancholisches, ein anderes eben, keine Ahnung welches.
    Wann waren sie eigentlich anders geworden? Nicht mehr das geile Team, nicht die Leute, mit denen man gerne ein Bier trank? Wieder diese überflüssigen Fragen. Während sich Bentner das überlegte, seinem Kaffee beim Entstehen zuhörte, ihn dann trank, während nach und nach die Mitarbeiter von PixBiz eintrudelten – bis auf Lisa, aber noch musste man sich keine Sorgen machen – während er wie so oft auf den Bildschirm starrte, auf dem nichts geschah (obwohl eine Menge geschah), erhielt der nebulöse Gedanke vom frühen Morgen im Zug allmählich eine Form. Es war kurz vor zehn Uhr, als Bentner endlich zu wissen glaubte, warum Weidenfeld seine Dossiers überhaupt und auf diese Art verfasst hatte.
    »Brunch«, sagte Lisa und warf auf den Tisch: zwei Croissants, eine halbe Käsesemmel, eine durchgefettete Papiertüte mit Pommes, solche Hühnerteile, die man nicht mit Namen nennen wollte, ein Schälchen mit gemischtem Salat. Dann schüttelte sie die Kaffeekanne.
    »Leer? Alles alleine getrunken?«
    »Na hör mal. Fast elf Uhr schon.«
    Sie hatte eine Jeans an, einen weiten dunkelblauen Pullover, Fellstiefel. Als Bentner mit dem Kaffeewasser zurückkam, fand er das Essen zu einem Büffet improvisiert, nahm sich ein Croissant auf der darunterliegenden Serviette, die eine Rechnung war.
    »O – M – G«, sagte er und Lisa lollte zähnezeigend.
    »Ich kann das nicht annehmen«, sagte sie.
    »Du kannst das nicht bezahlen«, sagte er.
    »Dein analytischer Geist geht mir auf den Sack.«
    »Du hast

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