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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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hinterlassen hat, wegfliegt? Oder von einem noch größeren Idioten grinsend entfernt wird? Ein gewisses Risiko ist schon dabei. Und dann nässt man sich ein. Vorsätzlich. All das sah Bentner und es war doch Unsinn.
    Ein Zettelchen wurde gereicht, auf dem der Name Weidenfeld stand. Weidenfeld, der dir etwas hat sagen wollen, erinnere dich. Ihr beiden pinkelnd nebeneinander. Er war beunruhigt, unsicher, irritiert, ängstlich und dann tot. Einfach tot. Ein in seinen Code heillos verstrickter Programmierer, von seinen Objekten überwältigt, von einem dieser Objekte. Das kam vor, Bentner wusste es nur zu gut.
    Die ausgemusterten Rechner. Irgendetwas störte Bentner daran, er sah Weidenfeld vor jedem einzelnen hocken, ihn überprüfen, auch als die anderen längst kichernd in ihren Büros verschwunden waren. Drei Wochen später hatte man die Kisten durch neue ersetzt, eine davon war in Gorlands Besitz übergegangen. Das musste schriftlich festgehalten worden sein, so gut kannte Bentner die penible Almuth.
    Das Wochenendhäuschen. Nur dieser Laptop mit den Dossiers, sonst nichts. Sonst nichts? Noch einmal überprüfen, notfalls ein zweiter Besuch. Es war wichtig, es war unwichtig, egal.
    Dann war Bentner am Küchentisch vor seiner Tasse Kaffee eingenickt, schlief eine Stunde, so etwas in der Art. Wachte auf, kurz vor sechs, loggte sich ein. Rick saß auf seinem Stuhl im Zweidimensionalen, Bentner auf seinem in einer höheren Dimension.
    Anna_lieb_dich streifte durch die Räume, hing sich an Pixies mit dämlichen Namen, prallerSchwanz, feuchter9, kannimmer. Sie folgte ihnen eine Weile, sah, wie Sprechblasen mit drei Punkten vor ihren Mündern erschienen, sie flüsterten kleine Mädchen an, die es um diese Zeit in Pixity nicht geben durfte oder doch wieder geben konnte. Kinder in bunten Schlafanzügen, kaum erwacht, schon am Rechner. Sie irrte, sie sah zu, sie suchte, sie folgte, sie lauerte, sie sprach kein Wort, sie war allein.
    Er duschte, frühstückte, schaltete den Fernseher für die Nachrichten an. Ein Flugzeugabsturz über dem brasilianischen Dschungel, aus der Luft fotografiert, ein qualmender grauer Fleck in ausgewaschenem Grün. Und dann wie von Zauberhand ein zum Engel aufgetakeltes Blondchen, das einen Weihnachtsmarkt eröffnete, zwei hohle Sätze ins Mikrophon blies.
    Es hatte aufgehört zu schneien, als Bentner das Haus verließ, seine Spuren aus der Nacht gab es nicht mehr, dafür andere, frischere. Giggelnde Schulkinder überholten ihn. Sie kratzten den Schnee vom Trottoir, formten ihn, bewarfen sich damit. Eine der Kugeln landete an Bentners rechtem Unterschenkel, die Übeltäter lachten und trollten sich.
    Im Zug herrschte ungewöhnliche Ruhe, als hätten sie alle schlecht geschlafen. Nur Bentner war hellwach, sah in die Landschaft, wünschte sich ewig zu fahren.
    Das Bäckerauto. Der Fahrer hievte einen großen Korb vom Rücksitz, Bentner hielt ihm die Tür auf, »danke«, sagte der Bäcker und: »PixBiz? Sagen Sie jetzt bitte nicht, das wäre im obersten Stock.«
    Sie trugen den Korb zusammen, einer vorne, einer hinten. Alles frische Ware, sagte der Bäckerfahrer, die Brötchen eh, die Wurst vom Metzger nebenan, der Käse … na ja, auch fast wie von heute. Oben wartete schon Almuth, sie hatte den Wagen auf dem Parkplatz bemerkt, bedachte ihre Armbanduhr mit einem »Fünf Minuten zu spät«-Blick, lächelte Bentner an, der lächelte nicht zurück.
    »Ich finde es gut, dass wir nicht auf die Weihnachtsfeier verzichten. Auch und gerade in Anbetracht der Umstände. Natürlich sind wir alle geknickt. Besinnlich halt.«
    Okay, dachte Bentner und sah auf Almuths Nacken. »Natürlich habe ich die Liste!« Sie hatte es gesagt, als hätte er sie auf der Stelle zum Vollzug des Geschlechtsaktes aufgefordert. Aber wo, dachte Bentner nach fünf Minuten und ungezählten Klicks durch den Dateimanager. »Versteh ich nicht.« Leichte Schweißbildung in Almuths Nacken.
    Sie klickte sich auch durch den Zentralserver, immer hektischer scrollte sie, immer panischer das Kopfschütteln. Ein Murmeln, das nur sie verstand und verstehen sollte, Bentner hinter ihr, sie schwitzte jetzt wirklich.
    »Die Sicherungskopien!«
    Almuth federte aus ihrem Stuhl, plötzlich wieder ganz souveräne Assistentin der Geschäftsführung, zu einem Rollschrank hin, in dem CDs in Reih und Glied standen, selbstverständlich akkurat beschriftet. Sie griff mit einem Lächeln – »aha!« – die richtige CD und es war die falsche. Sie griff die

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