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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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machen das hier ohne den üblichen Rednerschmu.«
    Sie steckte jedes Wort einzeln in Bentners Ohr, in lauwarmen Atem gewickelt, mit Veilchenduft imprägniert.
    »Besser so«, sagte Bentner zu den Käsebrötchen.
    Auf der anderen Seite des Tisches plauderte Sarkovy nach links und rechts in Praktikantinnengesichter. Bentner kannte beide nur flüchtig vom Sehen, Auswertung und PR, sorgfältig geschminkte BWLerinnen, die eine mit erotischen Marmeladepünktchen im Mundwinkel, den die Zunge nun zwei Minuten lang kreisend säuberte.
    Alinas Oberschenkel an Bentners Oberschenkel. Bentner grinste wieder zu seinen Käsebrötchen, solche hatten sie damals auch in der Küche gemacht, er erinnerte sich.
    »Wir arbeiten heute nur bis eins. Ich denke, du hast nichts dagegen.«
    Noch einmal Wort für Wort ins Ohr gelegt, das ist die Frau, die mein Gemächt umfasst hat, dachte Bentner, war das schon Sex oder nicht?
    Er drehte den Kopf Alina zu, die nahm den ihren überrascht und in einem Reflex zurück, verhinderte die Kollision.
    »Nein«, sagte Bentner und lächelte. »Gute Idee, mein Schatz.«
    Dann griff er ein Brötchen und biss mutig hinein.
    Ausdauerndes Gesummse mit vereinzelten Spitzen von lexikalischer Bedeutung. Bentner suchte nach seinem inneren Ohropax, einem Gedanken, der diesen Frühstückschat in den Flüstermodus kicken würde. Er fand ihn nicht.
    Alina hatte sich dem Brötchenkauer zu ihrer Linken zugewandt, dem Programmierer Abels. Ihn konnte man sich nicht als Besessenen vorstellen, aber wie auch. Er war Bentners Nachfolger als Gott, ein gelangweilter Bürokrat, der die Schöpfung seines Vorgängers verwaltete. Einer, der tatsächlich Salami- und Marmeladebrötchen parallel zu essen pflegte, einen Bissen hier, einen Bissen dort, was so originell wie geschmacklos war.
    Sarkovys Praktikantinnen kicherten über Sarkovys Praktikantinnenscherze. Beide waren so blond, wie das Zeug in den Fläschchen es zuließ, das sie regelmäßig in ihre Haare rieben oder spülten oder was auch immer, Bentner stellte es sich kurz und angewidert vor. Er dachte an Lisa und freute sich, dass sie nicht da war. Er dachte an Lisa und vermisste sie. Jemand – es war diese Null von Dehmel – brachte seine Gehilfin zum »Huch!«en, als er ihr Kaffee in die Teetasse schüttete. Dehmel begrinste seinen Fauxpas mit der passenden Dämlichkeit, erhob sich, die geschändete Tasse in der Hand, brachte eine neue nebst vollgepacktem Brötchenteller, dem er sich fortan widmete. Die Gehilfin griff sich die Teekanne und schenkte sich seufzend ein.
    »Ist doch mal ganz nett.«
    Das hauchte ihm Alinas inzwischen von Mehrkornwecken mit Knobibutter säkularisierter Atem ins Ohr. Nicht zu ihr hindrehen, lass das, hält kein Mensch aus.
    »Jaaaa«, machte Bentner im Stile Ricks und fügte in Gedanken ein »*kotz*« dazu. Okay, es wäre damals unmöglich gewesen, das machst du nicht, das geht nicht gut. Auf Alina liegen und an Olivia denken, so viel Verstand hatte ihm der kleine triebfreie Rest seines Gehirns gelassen, und dann liegst du auf Olivia und denkst an Alina, omg.
    Ihr Oberschenkel jetzt, der sich leicht und wie zufällig an seinem rieb. Sie wollte ihn verführen, so wie sie vielleicht kleine Mädchen verführte. Das war der Gedanke, der seine Ohren verstopfte, das Dutzend plappernder Frühstücksdirektoren im Raum endgültig zu Flüsterern degradierte, während das sprachlose Bild eines ordinär in die Webcam gestreckten Schoßes auftauchte, in das sich ein Mädchen vor seinem Rechner immer gedankenloser vertiefte. Er musste mit Lisa sprechen. Er musste die Liste mit den Pixity-Adressen der ausgemusterten Rechner finden und diese Nummern mit denen vergleichen, die Pixitys Datenbanken wie einen unnützen Schatz hüteten.

    Diesmal sah er ihn zuerst. Eine Decke über Schoß und Beinen, hockte Schneider neben dem Radiator, den Kaffeepott in der Rechten, in der Linken eine Zigarette, aus seinem Mund wehten Qualm und kondensierter Atem davon. Bentner öffnete das Gartentor. Schneider blickte durch den Besucher.
    »Hallo«, sagte Bentner.
    »Ach, Sie. Immer noch nicht gefunden, was Sie suchen?«
    Es gibt Menschen, die sich nicht betrinken können und es dennoch ständig versuchen. Schneider war einer davon, das konnte man riechen.
    »Ich hole Ihnen einen Stuhl und Kaffee.«
    Bentner fand es recht gemütlich auf der Veranda. In der Nähe des Radiators war es warm, es gab eine Grenze zwischen Frost und Wärme, auf dieser stand er jetzt wie zwischen Winter

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