Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
Vom Netzwerk:
hatte. Kein Traum. Besser so. Wer solche Träume hat, muss krank sein.
    Er beeilte sich, obwohl es keinen Grund dafür gab. Niemand würde ihn im Büro vermissen, Lisa vielleicht, aber die konnte man auch anrufen. Bentner erledigte seine Morgentoilette, betrachtete seine Nase im Spiegel. Sie sah aus wie immer, ihre Kanäle waren frei.
    Dann machte er einen Screenshot der Frauentalkseite, speicherte ihn ab, las noch einmal, wieder wurde ihm schlecht.
    Elegancy: Und warum ist dir 23 zu alt?
    Nils_Bentner: Weil ich auf junge Mädchen steh.
    Elegancy: Wie jung?
    Nils_Bentner: Unter 16. Strafbar. Der Nerven­kitzel, weisst.
    Elegancy: So jung? Uh.
    Nils_Bentner: Zu jung gibt’s nicht. Höchstens zu eng. *fies grins*
    Elegancy: Päderast?
    Nils_Bentner: Nö. Aber ich mag es, wenn sie noch keine richtigen Titten haben.
    Elegancy: Oh.
    Nils_Bentner: Hast du große Titten?
    Elegancy: B-Körbchen.
    Nils_Bentner: Okay.
    Elegancy: Und wie kommst du an die jungen Mädels ran?
    Nils_Bentner: *lach* Ich programmier mir die Jagdgründe selber. Kennst du Pixity?
    Elegancy: Dieser Kinderchat.
    Nils_Bentner: Kinderpuff *lach*
    Elegancy: Und du hast das programmiert?
    Nils_Bentner: Ja.
    Elegancy: Und was treibst du da?
    Nils_Bentner: Mädchen jagen *fies grins*
    Elegancy: Du bist ein Schwein.
    Nils_Bentner: Wird wohl.
    Elegancy: Und warum bist du jetzt hier? Hier sind doch keine Kinder.
    Nils_Bentner: Manchmal will ich auch schon gebrauchtes Fleisch *lach*
    Elegancy: Hm. Aber meins kriegst nicht. Oder machst du die Cam an?
    Nils_Bentner: Heute nicht.
    Elegancy: Okay. Dann klink ich mich jetzt aus. Schön mal mit einem Perversen geschrieben zu haben.
    Nils_Bentner: Ebenfalls.
    Überprüfen, ob die Person auch Pixity unter einem der Bentner-Nicks heimgesucht hatte; offenbar nicht. Nur das Fakeduo war unterwegs gewesen, ohne Erfolg. Wenigstens ein kleiner Trost.
    »Na, gut geschlafen?«
    Michael auf dem Parkplatz. Auch er war zu spät dran, halb zehn bereits, Bentner suchte nach Spuren der Nacht im Gesicht des anderen.
    »Geschlafen wie ein Toter«, sagte er und Michael sagte: »Schön. Und ich wie ein Stein.«
    Bentner ließ Sarkovy den Vortritt im Treppenhaus, folgte dem cashmerebemantelten Rücken, lauschte den Schrittgeräuschen. Sarkovy erklomm die Stufen federnd, dynamisch, leicht wie eine Frau, dachte Bentner. »Frau Michael«, hatte ihn Alina einmal genannt, natürlich auch hinter seinem Rücken, aber anders als hier im Treppenhaus. »Eine asexuelle Leute-manipulier-Maschine«, noch so ein Spruch, dem eine Spitze Sarkovys vorausgegangen war. »Claus und du wart euch doch sexuell immer einig. Immer nur die jüngsten Mädchen.«
    So bekriegten sie sich seit geraumer Zeit. Alina hitzig, Michael mit konziliantem Larvengesicht, ein Bruder Potemkins, der keine Dörfer brauchte, solange er den eigenen Körper hatte. Die Vorstellung, dass es Sarkovy gewesen war heute Nacht, das Bild des schmal lächelnden Mannes, dessen Blick sich an der Nacktheit des Gefesselten weidete – was wusste er eigentlich über Michael, was wusste überhaupt jemand über ihn, was wusste Michael Sarkovy über sich?
    Sie hatten ihn alle geliebt damals. Er war der eigentliche Schöpfer von Pixity, ein Mann voller Begeisterung, der ihre disparaten Ideen in ein System fügte, ihre Gedankenflut staute und in Elektrizität verwandelte. Ein Gefäß für alles und jeden, der große Durchschauer, das menschliche Chamäleon – und nun war es aber gut, Bentner schüttelte sich das ganze Zeug aus dem Kopf, all die Mutmaßungen, hinter Michaels Rücken.
    »Sehen wir uns heute noch? Falls nicht – ich wünsche dir frohe Weihnachten, erholsame Festtage und …«
    »… einen guten Rutsch ins neue Jahr«, vollendete Bentner.
    Dieses Sarkovy-Lächeln.
    »Genau. Und viele andere Sprüche mehr.«
    Ja, dachte Bentner, viele andere Sprüche.
    Lisa saß in seinem Büro, dicke Thermojeans, halbhohes Schuhwerk, ein Pullover mit einem Muster, von dem Bentner hoffte, es sei abstrakt und nichts mit Hirschen.
    »Verschlafen?«
    Er freute sich über den Kaffee, den sie gekocht, den Rechner, den sie noch nicht hochgefahren hatte. Sag ihr nichts, hatte er während der Fahrt beschlossen, sag keinem was. Tu so, als ob. Gib der Person, die auf Socken über das Parkett schlurfte, kein Gesicht, erinnere dich nicht an die Gehweisen. Das war natürlich nicht durchzuhalten gewesen. Er hatte sie sich alle vorgestellt, Alina und Michael, Lisa und sogar Hans-Jürgen Gorland. Körper hinter einer

Weitere Kostenlose Bücher